Kleine Anfrage

Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu Innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Bundes- und Landesstraßen

und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur

Die Kleine Anfrage 1431 vom 8. März 2013 hat folgenden Wortlaut:
Zunehmend ist festzustellen, dass Orte, die von Bundes- oder Landesstraßen durchzogen werden, den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach einer reduzierten Geschwindigkeit auf bestimmten Streckenabschnitten – in der Regel Tempo 30 km/h – nachkommen wollen. Häufig handelt es sich um kleinere Gemeinden, deren Ortsdurchfahrten aufgrund der engen Bebauung nach dem Eindruck der Anwohnerinnen und Anwohner eine Regelgeschwindigkeit von Tempo 50 km/h nicht zulassen bzw. als sicherheitsgefährdend wahrgenommen werden.
Ich frage die Landesregierung:

  1. Inwieweit sieht die Landesregierung straßenverkehrsrechtliche Spielräume zur Einrichtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einzelnen innerörtlichen Streckenabschnitten, die Bundes- und Landesstraßen betreffen?
  2. Inwieweit unterstützt bzw. fördert die Landesregierung Maßnahmen zur innerörtlichen Verkehrsberuhigung?
  3. In welchen Gemeinden wurde bereits Anträgen auf Geschwindigkeitsbeschränkungen, z. B. aufgrund von baulichen oder verkehrlichen Gegebenheiten oder aus Gründen des Lärmschutzes, bei Bundes- und Landesstraßen stattgegeben?
  4. Welche weitergehenden Einspruchsmöglichkeiten stehen Gemeinden, deren Anträge auf eine streckenbezogene innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkung bei Bundes- und Landesstraßen abgelehnt wurden, zur Verfügung?

 

Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastrukturhat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 28. März 2013 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Die Landesregierung hat sich vor allem zur Verbesserung der Verkehrssicherheit dahingehend positioniert, dass bereits heute die bestehenden straßenverkehrsrechtlichen Spielräume zur Einrichtung von Streckenbereichen im Zuge einer Ortsdurchfahrt mit Tempo 30 genutzt werden. Entsprechende Rundschreiben liegen den zuständigen Behörden vor. Sofern die Rahmenbedingungen eingehalten sind und beispielsweise bauliche und verkehrliche Defizite in der jeweiligen Ortsdurchfahrt vorliegen, kann von den Verkehrsbehörden Tempo 30 angeordnet werden.
Über 700 solcher Regelungen im Zuge klassifizierter Straßen (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) in Rheinland-Pfalz – ohne die Städte – sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass dies tatsächlich auch umgesetzt wird.
Die vom Bund vorgegebenen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm („Lärmschutz-Richtlinien-StV“) von 2007 sind dabei die Orientierungshilfe. Geschwindigkeitsbeschränkungen können zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen angeordnet werden, wenn aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt.
Bei Lärmpegeln oberhalb von 55 dB (A) in der Nacht können Lärmsituationen zunehmend als gefährlich für die Gesundheit angesehen werden. Liegen die Lärmpegel für eine große Anzahl von Betroffenen in der Nacht sogar über 60 dB (A),sind Geschwindigkeitsbegrenzungen auch auf klassifizierten Straßen möglich.
Nach der Lärmschutz-Richtlinien-StV sollen straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen mindestens eine Pegelminderung von 3 dB (A)bewirken. Allerdings sind auch Änderungen des Mittelungspegels von Verkehrsgeräuschen, die kleiner als 3 dB (A) ausfallen, gut wahrnehmbar. Die aktuell nach den Vorgaben der Umgebungslärmrichtlinie berechneten Lärmkarten (www.umgebungslaerm.rlp.de) enthalten für die Lärmaktionsplanung Angaben zu Lärmpegeln und zur Anzahl von Betroffenen an Hauptverkehrsstraßen.
Zuständig für die Anordnung und damit die Umsetzung von straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen sind nach Landesrecht die örtlichen Verkehrsbehörden. Sie haben nach der Rechtslage bei der Anordnung von verkehrsbehördlichen Regelungen eine Anhörung der Straßenbaubehörde und der Polizei durchzuführen.

Zu Frage 2:
Die Landesregierung stärkt die Kommunen, innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm anzuordnen. Am 2. Juli 2012 wurde im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten der „Runde Tisch Lärm“ für einen besseren Lärmschutz einberufen, der zur innerörtlichen Verkehrsberuhigung empfiehlt, modellhaft Geschwindigkeitsbeschränkungen – z. B. 30 oder 40 km/h an innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen – oder Nachtfahrverbote für Lkw durchzuführen und diese Pilotprojekte mit Lärmmessungen, Verkehrszählungen und Geschwindigkeitsüberwachungen zu begleiten. Zusammen mit Kommunen wird gegenwärtig die Umsetzung von Pilotprojekten vorbereitet.

Zu Frage 3:
In Rheinland-Pfalz existiert bereits eine Vielzahl von Tempo-30-Zonen, verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen, punktuellen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf klassifizierten Straßen sowie verkehrsberuhigten Bereichen, in denen eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h und darunter besteht. Da eine landesweite genaue Auswertung der insoweit bereits bestehenden Beschränkungen nicht vorliegt und im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nur mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand erstellt werden könnte, sind nähere Angaben nicht möglich. Notwendig wäre eine landesweite Umfrage bei den über 230 Straßenverkehrsbehörden in Rheinland-Pfalz. Die Kommunen (Städte und Verbandsgemeinden) in Ortsdurchfahrten setzen straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen auf Bundes- und Landesstraßen in eigener Zuständigkeit fest.

Zu Frage 4:
Im Falle einer Ortsgemeinde, deren Anträge auf eine streckenbezogene innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkung bei Bundes- und Landesstraßen abgelehnt wurden, wird es im Zweifel an der Betroffenheit und damit der Widerspruchs- und Klagebefugnis nach § 68 VwGO fehlen. Eine Entscheidung über eine verkehrsbehördliche Anordnung durch die zuständige Straßenverkehrsbehörde ist ein Verwaltungsakt. Betroffene, wie beispielsweise Verkehrsteilnehmer, Lärmbetroffene oder andere Anlieger, können gegen diesen schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch gemäß § 68 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erheben.
Der Widerspruch eröffnet im Verwaltungsprozess das Vorverfahren vor einer verwaltungsgerichtlichen Klage. Die Behörde muss dann die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes prüfen. Dies gilt auch für den Fall einer zuvor erteilten Ablehnung. Die Straßenverkehrsbehörden in Deutschland haben die bestehenden bundesweit gültigen und bundesrechtlich geregelten Vorgaben der StVO zu beachten. Dies ist auch vor dem Hintergrund rechtsstaatlicher Folgen zwingend, da solche Geschwindigkeitsbeschränkungen als Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen sowohl von Verkehrsteilnehmern als auch von lärmbetroffenen Anwohnern anfechtbar und gerichtlich überprüfbar sind.

In Vertretung:
Jürgen Häfner
Staatssekretär



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Jutta unterstützt die Aktion als Patin an der IGS Morbach und am Gymnasium Traben-Trarbach. Infos hier>>

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