Kleine Anfrage 16-6184

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Umsetzung von Lärmaktionsplänen in Rheinland-Pfalz

und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur



Die Kleine Anfrage 4036 vom 28. Januar 2016 hat folgenden Wortlaut:
Das Umwelt- und das Infrastrukturministerium haben eine neue „Handreichung“ herausgegeben, in der unter anderem Lärmaktionspläne als wesentliche kommunale Maßnahme für mehr Lärmschutz an Hauptverkehrsstraßen genannt sind. Eckpunkte hierzu wurden auf einer öffentlichen Veranstaltung betroffener Bürgerinitiativen am 22. Januar 2016 in Kandel vorgestellt.


Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Welche Neuerungen enthält die aktualisierte Handreichung?
  2. Welche Unterstützung für Kommunen kann durch die Handreichung gewährleistet werden?
  3. Wann wird die Handreichung veröffentlicht?
  4. Welche Entwicklungen zeichnen sich auf der Bundesebene ab, um die Lärmemissionen an Durchfahrstraßen zu reduzieren?


Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. Februar 2016 wie folgt beantwortet:


Zu den Fragen 1 und 2:
In der aktualisierten Handreichung, die vom Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur in Abstimmung mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten herausgegeben wird, werden insbesondere die tatbestandlichen Voraussetzungen, die für die rechtssichere Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen erfüllt werden müssen, deutlicher als bisher gefasst.

So wird beispielsweise auch darauf verwiesen, dass es eine rechtsverbindliche normative Festsetzung von Grenzwerten beim Vollzug von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht gibt. Es wird verdeutlicht, dass bereits bei einer Überschreitung der Grenzwerte der 16. BImSchV auch im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO vom Vorliegen von schädlichen Umwelteinwirkungen auszugehen ist und die Behörden ab diesen Grenzwerten das Ermessen im Einzelfall pflichtgemäß auszuüben haben.

Je deutlicher und intensiver die zugrunde liegenden Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden, desto mehr fordert die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) eine behördliches Tätigwerden. Soweit sogar die Schwelle von 60 dB(A) nachts/70 dB(A) tags erreicht ist, verkleinert sich zudem der Ermessensspielraum der Behörden zugunsten der Lärmbetroffenen und tendiert in Richtung null. Ab der Schwelle von 60 dB(A) nachts/70 dB(A) tags ist dann im Übrigen jede Lärmminderung – auch unterhalb von 3 bzw. 2,1 dB(A) – relevant.


Für den Fall, dass es im Rahmen der Kooperation bei der Aufstellung der Lärmaktionspläne zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen den Verkehrsbehörden und den für die Lärmaktionspläne zuständigen Behörden kommt, wird die Entscheidung von der Obersten Straßenverkehrsbehörde und der Obersten Immissionsschutzbehörde im Einvernehmen herbeigeführt. Insofern werden die Kommunen durch die aktualisierte Handreichung dahingehend unterstützt, dass eine Klarstellung und Konkretisierung der Lärmaktionsplanung mit den straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen auf der Grundlage der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) erfolgt.


Zu Frage 3:
Die Handreichung wurde veröffentlicht. Sie kann auf der Internetseite des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur (ISIM) eingesehen werden.


Zu Frage 4:
Aktuell werden die derzeitigen rechtlichen Rahmenregelungen zu den bestehenden Eingriffsschwellen im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsbeschränkungen diskutiert. Sie werden inzwischen vielfach als zu hoch eingestuft, um den wachsenden Wünschen nach Beschränkungen vor allem aus Verkehrssicherheits- und Lärmschutzgründen sowie den europarechtlichen Vorgaben gerecht zu werden.

Die Umweltministerkonferenz hat im November 2015 den Bund gebeten, durch die Fortentwicklung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der Straßenverkehrsordnung, den Kommunen mehr Kompetenzen bei der Entscheidung über die Anordnung von Tempo 30 aus Lärmschutzgründen einzuräumen. Das Land Rheinland-Pfalz hat in diesem Zusammenhang einen Beschluss der Länder-Verkehrsministerkonferenz unterstützt, mit dem der Bund aufgefordert wird, streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzungen – insbesondere Tempo 30-Regelungen vor allgemeinbildenden Schulen, Kindertagesstätten sowie Alten- und Pflegeheimen – einzuführen, da hier häufig eine besondere Gefahrenlagebesteht. Damit würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis Tempo 30/Tempo 50 vor solchen Einrichtungen aus Verkehrssicherheitsgründen umgekehrt.

Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die Anordnung von Tempo 30 aus Lärmschutzgründen, für die eine Absenkung der gesetzlichen Eingriffsschwellen gefordert wird. Eine Arbeitsgruppe der Länder hat dazu bereits konkrete Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Sie wurden in der Herbstsitzung 2015 von den Verkehrsministern der Länder in Worms beraten.

Die Beratungen ergaben vier konkrete Ergebnisse:
1. Die Verkehrsministerkonferenz kam zu der Auffassung, dass gerade vor Schulen, Kindertagesstätten, Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern in der Regel von einer besonderen Gefahrenlage auszugehen ist. Sie forderte daher den Bund auf, die Regelungen in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zu Geschwindigkeitsbeschränkungen so anzupassen, dass das Regel-Ausnahmeverhältnis bei der Prüfung besonderer Gefahrenlagen vor allgemeinbildenden Schulen und sozialen Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen und Krankenhäusern umgekehrt wird. Die Verwaltungsvorschrift zur StVO bedarf ebenfalls einer entsprechenden Überarbeitung. Dabei sind auch begleitende Halteverbote zur Verbesserung der Sichtbeziehungen an den genannten Einrichtungen zu prüfen.

2. Der Bund wurde aufgefordert, in der Verwaltungsvorschrift zur StVO zu regeln, dass die Verkehrsbehörden auch auf einem kurzen Streckenabschnitt zwischen zwei bereits beschränkten Abschnitten eine angemessene Geschwindigkeitsbeschränkung zur Verstetigung des Verkehrsflusses anordnen können.

3. Der Bund wurde aufgefordert, bis zur Verkehrsministerkonferenz im Frühjahr 2016 die Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-RL-StV) zu überprüfen und soweit erforderlich zu überarbeiten, um eine Konsistenz mit der Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) zu erhalten und die Lärmschutzaspekte besser zu berücksichtigen. Dabei soll auch die Möglichkeit einer Absenkung der derzeit geltenden Richtwerte in die Prüfung einbezogen werden. Insbesondere wird eine erleichterte Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen angestrebt.

4. Es soll geprüft werden, inwieweit die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen innerhalb geschlossener Ortschaften auf 30km/h auf Strecken mit einer hohen Fußgänger- und/oder Radverkehrsdichte ohne entsprechende Fuß- oder Radverkehrsanlagen bei gleichzeitig erhöhtem Querungsbedarf erleichtert werden kann.

Roger Lewentz
Staatsminister

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