Kleine Anfrage 17/5768

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nachfrage im Biosektor decken – Wachstum der Biolandwirtschaft weiter fördern – Drucksache 17/5944


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/5768 – vom 21. März 2018 hat folgenden Wortlaut:

Vom 14. bis 17. Februar fand in Nürnberg die Biofach 2018 statt, an der auch Umwelt- und Ernährungsministerin Höfken teilnahm. Die Rekordzahl der über 3 000 Aussteller auf der Messe verdeutlicht die wachsenden Einkommensmöglichkeiten in der Bio-Branche. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz mit biologisch erzeugter Ware erstmals über 10 Milliarden Euro. Die Nachfrage nach biologisch erzeugten Lebensmitteln wächst immer weiter. Der Anteil der biologischen Landwirtschaft an der landwirtschaftlichen Fläche in Rheinland-Pfalz beträgt inzwischen neun Prozent. Leider reicht dieser Anteil an der Fläche noch immer nicht aus, um die Nachfrage nach biologisch erzeugten Lebensmitteln zu decken.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie hat sich der Bio-Sektor in Rheinland-Pfalz seit 2010 entwickelt?

2. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Ziel, 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Rheinland-Pfalz ökologisch zu bewirtschaften, zu erreichen?

3. Wie trägt die Kampagne „Rheinland-Pfalz isst besser“ des Ernährungsministeriums zur Förderung des Biosektors bei?

4. Welche Vorteile bietet die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung für Landwirte und Winzerinnen und Winzer?

5. In welchen Bereichen ist das Wachstum an biologisch erzeugten Lebensmitteln in Rheinland-Pfalz am größten?

6. Welche Voraussetzungen müssen auf Ebene des Bundes und der Europäischen Union gegeben sein, um das 20-Prozent-Ziel in der ökologischen Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz erreichen zu können?


Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 11. April 2018 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:
Nach aktuellen Schätzungen legte die deutsche Öko-Fläche im Jahr 2017 um 124 647 ha (10 Prozent) auf insgesamt 1 376 000 ha zu. Im Jahr 2017 stellten jeden Tag durchschnittlich fünf Betriebe eine Landwirtschaftsfläche von etwa 500 Fußballfeldern auf die ökologische Wirtschaftsweise um. Damit entschieden sich dank der steigenden Nachfrage und der stabilen Preise für heimische Bio-Produkte sowie verbesserter Rahmenbedingungen im Jahr 2017 2 042 Betriebe bundesweit für eine Umstellung und damit für einen Einstieg in den Ökolandbau.

Dabei legte auch der Ackerbau nach einer Stagnation mit 65 000 ha erstmals wieder deutlich auf nun 510 000 ha zu.

Erstmals wurden im Jahr 2017 im Bio-Markt in Deutschland über 10 Mrd. Euro umgesetzt. Die deutschen Haushalte gaben damit für Bio-Lebensmittel und Getränke 5,9 Prozent mehr als im Jahr 2016 aus. Insbesondere die Discounter, aber auch die Vollsortimenter des Lebensmittelhandels weiteten ihre Sortimente aus.

Das größere Angebot an Bio-Produkten wird auch jährlich auf der Fachmesse BioFach in Nürnberg dokumentiert. Im Jahr 2017 wurde mit über 3 200 Ausstellern und mehr als 50 000 Fachbesucher ein neuer Rekord aufgestellt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1:
Die ökologisch bewirtschaftete Fläche wurde in Rheinland-Pfalz von 37 733 ha im Jahr 2010 auf 63 561 ha im Jahr 2016 ausgedehnt. Dies entsprach einer Flächenzunahme von 68 Prozent. Die Ökofläche im Jahr 2016 entsprach 9 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Rheinland-Pfalz und lag um 1,5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die prozentuale Steigerung zum Vorjahr betrug 12 Prozent.

Die Zahl der Ökobetriebe erhöhte sich von im Jahr 2010 mit 926 Betrieben bis im Jahr 2016 auf 1 445 Betriebe, was einer Steigerung von 56 Prozent in dem 6-Jahreszeitraum entsprach. Der Anteil der Ökobetriebe im Jahr 2016 entsprach 8,2 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Betriebe in Rheinland-Pfalz. Die Zunahme der Ökobetriebe im Vergleich zum Jahr 2015 betrug 10 Prozent.

1) Gemäß Agrarstrukturerhebung des Statistischen Landesamtes, Betriebe größer 2 ha.
2) Erhebung der ADD, alle A-Betriebe (Erzeuger) und alle gemeldeten Flächen gemäß VO (EG) Nr. 834/2007.
3) Gemäß Agrarstrukturerhebung des Statistischen Landesamtes. Die vorstehenden Daten sind zum Teil geschätzt und gerundet. Wegen mehrfach geänderter Erhebungsgrenzen in der Agrarstrukturerhebung sind die Daten zwischen den einzelnen Jahren nur begrenzt vergleichbar.

Zu Frage 2:
Um das Ziel 20 Prozent ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftlich genutzte Fläche in Rheinland-Pfalz zu erreichen, werden die bestehenden Maßnahmen der Landesregierung fortgeführt, die zu einer stetigen Ausdehnung des Ökolandbaus Rheinland-Pfalz bisher beigetragen haben. Sie werden mit weiteren Maßnahmen in einem Öko-Aktionsplan für Rheinland-Pfalz umfassend dargestellt, der im Herbst 2018 vorgestellt wird.

Bestehende Fördermaßnahmen der Landesregierung sind:
Schwerpunkt bei der Förderung für den Ökolandbau in Rheinland-Pfalz ist das rheinland-pfälzische ELER-Entwicklungsprogramm „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EPLR EULLE) insbesondere mit den Teilmaßnahmen „Einführung des ökologischen Landbaus“ und „Beibehaltung des ökologischen Landbaus“.

Mit der Ausdehnung der Fläche nahm auch die Fördersumme im Zeitraum von 2011 bis 2017 von rund 6,5 Mio. Euro auf rund 15,4 Mio. Euro zu. Zusätzlich können von den ökologisch wirtschaftenden Betrieben alle anderen Agrarförderprogramme der ersten und zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie des Landes genutzt werden.

Dazu zählen insbesondere folgende Förderprogramme:

  •  Förderung z. B. von besonders tiergerechten Stallumbauten durch das Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP des EPLR EULLE); 
  • Förderung von Investitionen zur Einkommensdiversifizierung (FID des EPLR EULLE) 
  • Förderung von Erzeugergemeinschaften und -zusammenschlüssen im Rahmen der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturförderung (beispielsweise „Förderung der Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen“ des EPLR EULLE) 
  • Förderung von Investitionen in die Verarbeitung und Vermarktung regionaler Erzeugnisse, z. B. regionaler und ökologischer Erzeugnisse, im Rahmen regionaler Wertschöpfungsketten EPLR EULLE; 
  • Unterstützung regionaler Wertschöpfungsketten mit LEADER-Mitteln des EPLR EULLE; Marketingmaßnahmen z. B. Förderung von Veranstaltungen, Internetauftritten und Broschüren.

Beratung, Forschung, Versuchswesen:

Durch die Einrichtung des „Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau“ (KÖL) steht für Fragen des ökologischen Landbaus in Rheinland-Pfalz am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück eine zentrale Stelle zur Verfügung.

Zu den Aufgaben des KÖL zählen z. B.:

  • Beratung von Betrieben, die an einer Umstellung auf ökologischen Landbau interessiert sind.
  • Betreuung des Projekts „Leitbetriebe Ökologischer Landbau“. Ziel des Projektes ist es, vorhandenes Wissen in der Praxis aufzuarbeiten, für die Praxis zugänglich zu machen und in die Praxis zu transferieren. Daher werden in dem Projekt Praxis, Beratung und angewandte Forschung eng miteinander verzahnt, Themen aus der Praxis aufgegriffen (Bottom-Up-Prinzip) und die bei der Bearbeitung gewonnenen Erkenntnisse wieder an die Betriebe und die Beratung weitergegeben.
  • Organisation von Fachveranstaltungen (z. B. jährlich stattfindender Öko-Fachtag am DLR in Bad-Kreuznach, Öko-Aktionstage Rheinland-Pfalz) zur Information von Landwirten und Verbrauchern.
  • Partner in der BMEL-Eiweißpflanzenstrategie.

Schule, Ausbildung:

In der Aus- und Fortbildung der Landwirte und Winzer in Rheinland-Pfalz werden Themen des ökologischen Landbaus bzw. Weinbaus sowohl in der Berufs- wie auch in der Fachschule explizit umgesetzt. Neben der lernfeldübergreifenden Behandlung von Ökothemen und neben Wahlpflichtmodulen für Ökoweinbau und Ökolandbau in der Fachschule gibt es in der Berufsschule eine Verpflichtung zur Verankerung von Ökothemen in den Jahresarbeitsplänen aller drei Berufsschuljahre der Landwirtschaft. In der Fachschule II Weinbau wird ein Zertifizierungskurs „Ökologischer Weinbau“ angeboten. Die bestehenden, weiterentwickelten wie auch weitere Maßnahmen werden in einem Öko-Aktionsplan für Rheinland-Pfalz umfassend dargestellt, der im Herbst 2018 vorgestellt wird.

Zu Frage 3:
Die Landesinitiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ wurde im Jahr 2013 ins Leben gerufen und umfasst mittlerweile mehr als 20 Projekte, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten.

Beispiele sind:

  • Projekt „Kita isst besser“, 
  • Lebensmittel-Infoblätter für Tafelkunden, 
  • Schulprojekt „Ernährung nachhaltig gestalten“, 
  • Projekt „Ferienkochkünstler“, 
  • Qualifizierungsprozess für Schulen, 
  • Speiseplancheck für Schulen, 
  • Projekt „Gut versorgt ins hohe Alter“.

Ziel der Landesinitiative ist es, den Verbraucherinnen/Verbraucher wieder den Wert und die Bedeutung von Lebensmitteln nahe zubringen. Mit der Initiative wirbt das Land für eine gesunde und nachhaltige Ernährung. Das bedeutet eine Sensibilisierung für Lebensmittel, die verbrauchernah und klimafreundlich erzeugt und selbst zubereitet werden. Das Thema biologisch erzeugte Lebensmittel ist Teil fast aller Projekte zur Ernährungsbildung im Rahmen der Initiative, insbesondere in den Projekten, in denen es um den Zusammenhang von Umweltschutz bzw. Klimaschutz und Ernährung geht.

Weitere Botschaften, die mit der Initiative vermittelt werden, sind z. B. die Empfehlungen, saisonale regionale Ware einzukaufen, unverarbeitete Lebensmittel statt Fertigkost zu nutzen, öfter mal vegetarisch und damit klimafreundlich zu essen, Lebensmittelreste geschickt zu verwerten anstatt sie wegzuwerfen.

Ein wichtiges Instrument der Initiative ist das Kochmobil. Es ist an Schulen/Kitas und bei Veranstaltungen präsent, hier wird gemeinsam mit Schulkindern oder Verbraucherinnen/Verbraucher gekocht. Mit dem gemeinsamen Kochen sollen die Schülerinnen/Schüler, Kinder und Verbraucherinnen/Verbraucher praxistaugliche Rezepte kennenlernen, um sich im Alltag gesund und klimafreundlich (Bio, regional, saisonal) zu ernähren.

Zu Frage 4:
Neben den Vorteilen, die der ökologische Landbau generell für das Klima, den Boden, die Umwelt und die Biodiversität bietet, ergeben sich für die Betriebe sehr individuelle Vorteile. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass mit der Umstellung ein höherer wirtschaftlicher Erfolg erzielt werden kann. Insbesondere in den Wirtschaftsjahren 2015/2016 und 2016/2017 zeigen die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Testbetriebe einen deutlich höheren Gewinn, auch unter Berücksichtigung des Personalaufwands, im Vergleich zu konventionellen Betrieben. Im Wirtschaftsjahr 2016/17 wurde für die ökologisch wirtschaftenden Testbetriebe ein Unternehmensgewinn von 64 358 Euro (konventionelle Testbetriebe von 39 871 Euro) und ein Gewinn je AK von 39 504 Euro (konventionelle Testbetriebe 28 700 Euro) ausgewiesen.

Zu Frage 5:
Die größte Flächenzunahme ist in den Grünlandbetrieben mit Mutterkuhhaltung zu verzeichnen. Von den 63 561 ha ökologisch bewirtschafteten Flächen waren im Jahr 2016 ca. 40 000 ha Grünland. Der Ackerbau nimmt allerdings ebenfalls zu, da mit der Umstellung Milchvieh haltender Betriebe auch der Bedarf an Futter zunimmt. Ein wichtiger und wachsender Zukunftsmarkt ist die Erzeugung von Öko-Eiern. Hier haben in den letzten zwei Jahren mehrere Betriebe in größere artgerechte Stallbauten inve- stiert, sodass auch in Rheinland-Pfalz neben den mobilen Hühnerställen größere Ställe mit bis zu 12 000 Legehennen existieren. Diese Eier werden größtenteils über die Regionalmarke Eifel als Öko-Eier an den Lebensmittelhandel abgegeben.

Daneben spielt für Rheinland-Pfalz der ökologische Weinbau eine wesentliche Rolle als Öko-Weinbauland Nr. 1. Die jährliche Zuwachsrate an ökologisch bewirtschafteter Rebfläche seit dem Jahr 2011 beträgt durchschnittlich 8 Prozent bei einer Flächen- zunahme zwischen 200 und 350 ha jährlich.

Zu Frage 6:
Der ökologische Landbau dient allen drei Nachhaltigkeitskomponenten im Kontext bäuerlicher Landwirtschaft: Ökonomie, Ökologie und sozialen Standards. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) als eine politische Strategie der EU zur Reaktion auf diese gesellschaftlichen Erwartungen an den Lebensmittelsektor ist künftig besser darauf auszurichten und ihre positiven ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirkungen vollumfänglich zu entfalten: Die Landwirtschaft trägt maßgebliche Verantwortung für den Schutz von Klima, Umwelt, biologischer Vielfalt und einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie der Erhaltung der Kulturlandschaften. Zudem muss sie einen Beitrag für mehr Tierwohl leisten. Die GAP muss deshalb auch zukünftig auf europäischer Ebene entsprechend ihren Zielen und Aufgaben modernisiert, vereinfacht und finanziell zumindest im bisherigen Volumen ausgestattet werden. Nur auf diesem Wege kann die GAP den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen und die Rahmenbedingungen dafür setzen, landwirtschaftliche Erzeugung mit öffentlichen Gütern, wie z. B. dem Erhalt von Kulturlandschaften, mit dem Schutz von Natur, Klima, Umwelt und Biodiversität sowie den Anforderungen an das Tierwohl zu verbinden.

Um eine deutliche Zunahme der Betriebsumstellungen zu ermöglichen, ist es notwendig, einen zukunftsfähigen und kohärenten europäischen Rechtsrahmen festzusetzen und rechtliche Wachstumsbarrieren zu beseitigen. Dazu zählt auch die Listung von Kalium-Phosphonat als zulässiges Pflanzenstärkungsmittel für den ökologischen Weinbau in Anhang II der VO (EG) Nr. 889/2008, für die sich die Landesregierung weiterhin einsetzt.

Auf Bundesebene sollten die in der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau festgelegten Maßnahmen zielgerichtet und zeitnah umgesetzt werden, damit die Wirtschaftsbeteiligten diese nutzen können. Dazu zählt die ausreichende finanzielle Ausstattung des Bundesprogrammes ökologische Landwirtschaft und anderer Formen der nachhaltigen Landwirtschaft BÖLN. Wer, wie im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgeschrieben, bis im Jahr 2030 20 Prozent Bio anstrebt, muss deutlich mehr als die derzeitigen 1,5 Prozent der Agrar-Fördermittel in die Forschung für die Weiterentwicklung der ökologischen Landwirtschaft investieren, um das Innovationspotential der ökologischen Landwirtschaft zu erschließen und das gewonnene Wissen auch „auf die Felder und in die Ställe“ zu transferieren. Zur Steigerung des Absatzes ist eine national verpflichtende Haltungskennzeichnung für Fleisch- und Fleischprodukte analog der Eierkennzeichnung einzuführen. Denn am Markt wirkt am besten, was der Kunde kennt, versteht und überall wiederfindet.


In Vertretung:
Dr. Thomas Griese
Staatssekretär

 

 

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