Kleine Anfrage 17/13188

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Landstromförderung für Binnenschiffe
Drucksache 17/13398


Am 22. September 2020 hat sich die Landesregierung darauf verständigt, in die Landstromförderung für Schiffe einzusteigen und sich an der Bundesförderung für Landstromanlagen zu beteiligen. Mit diesem Schritt soll die Binnenschifffahrt klimaschonender und ihre Akzeptanz gesteigert werden. Voraussetzung für das Förderprogramm ist zunächst, dass der Bund und die Länder eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung unterzeichnen.

1. Wie sollen die Förderquoten zum geplanten Landstromprogramm konkret aussehen?
2. Welche politischen Initiativen (z. B. UMK- oder VMK-Beschlüsse) bzw. Initiativen Dritter sind der geplanten Verwaltungsvereinbarung vorausgegangen?
3. Welche Stromsysteme sollen auf Grundlage der Verwaltungsvereinbarung in Zukunft gefördert werden?
4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Schadstoff- und Lärmbelastung durch Binnenschiffe in den Oberzentren bzw. touristischen Zentren an Rhein und Mosel?
5. Welche weiteren Maßnahmen erachtet die Landesregierung als notwendig, um die Schifffahrt insgesamt umwelt- und klimaschonender zu machen?
6. Inwieweit wird die Binnenschifffahrt zur Nutzung der Landstromanlagen verpflichtet?
7. Wie könnte sich nach Einschätzung der Landesregierung die Nutzung der Landstromanlagen wirtschaftlich auf die Binnenschifffahrt auswirken?


Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 wie folgt beantwortet:

Binnenschiffe gelten grundsätzlich als vergleichsweise umweltfreundlich. Gleichwohl kann mit der Etablierung von Landstromanlagen für Binnenschiffe die Umweltbilanz verbessert werden. Im Fokus stehen hierbei das Liegen von Frachtschiffen in den Binnenhäfen sowie insbesondere das Liegen von Fahrgastkabinenschiffen mit hohem Energiebedarf an innenstadtnahen Anlegestellen. Im Rahmen der Aufstellung des Wirtschaftsplans für den Energie- und Klimafonds (EKF) wurden im Bundeshaushalt 2020 insgesamt 176 Mio. Euro für die Förderung von stationären Landstromversorgungsanlagen in deutschen Häfen veranschlagt. Die Mittel stehen in den Jahren 2020 bis 2023 für ein Investitionsförderprogramm des Bundes zur Mitfinanzierung des Baus von Landstromanlagen einschließlich der Anbindung an bestehende elektrische Stromnetze in den See- und Binnenhäfen zur Verfügung. Mit der Vorhaltung von Landstromanlagen in Verbindung mit einer Nutzungspflicht für die Binnenschiffe kann die Belastung durch Luftschadstoffe und Lärm an den Anlegestellen deutlich vermindert werden. Grundlage für die Partizipation an den Bundesmitteln ist die Unterzeichnung einer Verwaltungsvereinbarung des Bundes mit den Ländern, die Aufstellung eines Landesprogramms und die Bereitstellung von Kofinanzierungsmitteln im Landeshaushalt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die vorbezeichnete Kleine Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1:
Nach dem bisherigen Stand des Entwurfs der Förderrichtlinie zur Errichtung von Landstromanlagen für Binnenschiffe ist eine Förderung in Höhe von bis zu 80 Prozent der förderungsfähigen Kosten vorgesehen.

Zu Frage 2:
Das Land Rheinland-Pfalz hat sich bereits seit mehreren Jahren u. a. in der Ministerpräsidentenkonferenz, der Wirtschaftsministerkonferenz und der Umweltministerkonferenz für die stärkere Etablierung von Landstromanlagen für Schiffe eingesetzt.

Darüber hinaus wurde mit dem Memorandum of Understanding (MoU) vom 10. Oktober 2019 zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und den Küstenländern sowie den Städten Kiel und Rostock die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Nutzung von Landstrom in Häfen vereinbart. Bestandteil des MoU ist unter anderem ein Investitionsförderprogramm des Bundes zur Mitfinanzierung von Landstromversorgungsanlagen in den See- und Binnenhäfen auf der Basis des Energie- und Klimafonds des Bundes (EKF).

Zu Frage 3:
Unter Berücksichtigung der Vorgaben in der Verwaltungsvereinbarung des Bundes mit den Ländern zur Förderung von Landstromanlagen werden mit dem Förderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz keine Stromsysteme, sondern baulich-technische Einrichtungen wie zum Beispiel Tiefbauarbeiten, Elektrokabel, Stromtankstellen und Trafostationen etc. gefördert, damit Binnenschiffe Strom vom landseitigen Stromnetz abnehmen können.

Zu Frage 4:
Der Landesregierung liegen keine der Frage entsprechenden eigenen Erkenntnisse vor. Bezüglich der Schadstoffbelastung durch den fließenden Binnenschiffsverkehr wird auf vier Gutachten hingewiesen, die von der Bundesanstalt für Gewässerkunde im Jahr 2015 veröffentlicht wurden (vgl.: www.bafg.de/DE/08_Ref/M1/04_Gewaesserphysik/Luftqualitaet/luft_node.html). In den Gutachten wurden die Luftschadstoffimmissionen von Binnenschiffen für den Niederrhein bei Wesel, für den Mittelrhein (Köln/ Bonn), für den Oberrhein südlich von Karlsruhe und für einen Abschnitt der Spree in Berlin dargestellt. Danach führt der fließende Binnenschiffsverkehr auf dem Rhein an Land zu keiner Überschreitung der Grenzwerte der 39. BImSchV.

Aktuell beabsichtigt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) das im Bereich der Wasserstraßen verwendete modellbasierte Berechnungsverfahren „LuWas“ (Luftschadstoffbelastung an Wasserstraßen) fortzuschreiben und eine Emissions- und Immissionsmodellierung für bestimmte Testgebiete durchzuführen. Ein Testgebiet soll die Moselmündung in Koblenz sein. Das Umweltministerium und das Landesamt für Umwelt beteiligen sich an diesem Projekt und werden Luftschadstoffmessdaten, meteorologische Daten und Emissionskatasterdaten beisteuern.

Binnenschiffe unterliegen einer regelmäßigen technischen Überprüfung durch das Dezernat Technische Schiffssicherheit bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), wobei die Prüfungen auch Lärmmessungen umfassen. Im Zuge der technischen Prüfung werden die maßgeblichen technischen Bestimmungen für Binnenschiffe herangezogen, die durch den Europäischen Ausschuss zur Ausarbeitung von technischen Standards im Bereich der Binnenschifffahrt (CESNI) festgesetzt werden. Die Standards beinhalten in Artikel 8.10 der ES-TRIN (Europäischer Standard der technischen Vorschriften für Binnenschiffe) auch maximal zulässige Lärmgrenzwerte für den Betrieb von Binnenschiffen. Mit der Erteilung des sogenannten Schiffsattestes durch die WSV gilt ein Binnenschiff für den Schiffsverkehr zugelassen. Da die Lärmgrenzwerte für Schiffsneubauten in der ES-TRIN zuletzt verschärft wurden, sind perspektivisch beim Schiffsverkehr Lärmreduzierungen zu erwarten.

Zu Frage 5:
Zahlreiche Studien zum Verkehrsträgervergleich im Güterverkehr haben wiederholt die Umweltfreundlichkeit der Binnenschifffahrt bestätigt (vgl. u.a. Studie vom Institut Planco Consulting GmbH, Verkehrswirtschaftlicher und ökologischer Vergleich der Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße, 2007). Gleichwohl bestehen auch in der Binnenschifffahrt insbesondere bezüglich der Antriebstechnik noch Potenziale zur Verbesserung der Umweltbilanz.

Mit der Verordnung (EU) Nr. 1628/2016 vom 14. September 2016 wurden deutlich strengere Abgasgrenzwerte für „nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte“ festgesetzt. Die Verordnung gilt für den Neubau bzw. die Neumotorisierung von Binnenschiffen in Abhängigkeit von der Leistung der Motoren bis 300 kW ab dem Jahr 2019 und bei Motoren über 300 kW ab dem Jahr 2020.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert aktuell mit der Richtlinie zur Förderung der nachhaltigen Modernisierung von Binnenschiffen vom 19. November 2019 Investitionen in umweltfreundlichere Motoren. Ziel des Förderprogramms ist es, die Klima- und Umweltfreundlichkeit der deutschen Binnenschifffahrtflotte zu steigern. Gefördert werden sowohl die Aus- und Umrüstung von Binnenschiffen mit emissionsärmeren Schiffsmotoren als auch der Einbau von Abgasnachbehandlungssystemen sowie alternative Antriebskonzepte.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützt darüber hinaus vorwettbewerbliche Technologieentwicklungen, die die Reduzierung der Emissionen bei See- und Binnenschiffen zum Ziel haben. Es sind daher künftig bei den Binnenschiffen weitere Verbesserungen beim Schadstoffausstoß zu erwarten.

Zu Frage 6:
Gemäß § 7.06 Nr. 3 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung (RheinSchPV) haben sich Binnenschiffe auf dem Rhein an den ausgewiesenen Liegestellen, bei denen das Tafelzeichen B.12 (Anlage 7 Abschnitt I Unterabschnitt B RheinSchPV) aufgestellt ist, an einen betriebsbereiten Landstromanschluss anzuschließen und ihren gesamten Bedarf an elektrischer Energie während des Stillliegens daraus zu decken. Dies gilt seit Ende 2019 gemäß § 7.06 der Moselschifffahrtspolizeiverordnung auch für die Mosel.

Gemäß § 27 Abs. 3 der Landeshafenverordnung (LHafVO) haben Schiffe in den Binnenhäfen und an Umschlagsstellen dafür zu sorgen, dass während der Liegezeit die Versorgung des Schiffes mit elektrischer Energie vom Land aus erfolgt, sofern das Schiff mit entsprechenden Einrichtungen versehen ist und an der Liegestelle eine entsprechende landseitige Anlage vorhanden ist.

Soweit kommunale Gebietskörperschaften Anlegestellen betreiben, können diese bei der Ausgestaltung der entsprechenden Nutzungsvereinbarungen (Miet- oder Gestattungsverträge etc.) grundsätzlich auch die Benutzungspflicht von Landstromanlagen regeln.

Soweit private Dritte oder Reedereien eigene Anlegestellen betreiben, benötigen diese in der Regel Nutzungsvereinbarungen mit den jeweiligen Grundstückseigentümern bezüglich des Zugangs sowie gegebenenfalls der Vorhaltung und Nutzung von Ver- und Entsorgungseinrichtungen. Im Regelfall werden die Vertragspartner die jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaften oder die Wasserstraßen- und Schifffahrtverwaltung des Bundes (WSV) sein. In diesen privatrechtlichen Vereinbarungen kann grundsätzlich auch die Benutzungspflicht von Landstromanlagen geregelt werden.

Zu Frage 7:
Die Stromkosten je 1 kWh aus Landstromanlagen liegen nach Kenntnis der Landesregierung signifikant höher als die Kosten der Stromerzeugung aus bordeigenen Dieselgeneratoren. Eine erfolgreiche flächendeckende Etablierung von Landstromanlagen wird daher unter anderem davon abhängig sein, dass der Bezug von Landstrom für die Schiffseigner wirtschaftlich bzw. zu ähnlichen Kosten wie die Eigenerzeugung an Bord gestaltet werden kann. Neben der notwendigen staatlichen Anschubfinanzierung bei den Investitionskosten zur Errichtung der in der Regel sehr kostenintensiven Landstromanlagen wird es daher für notwendig gehalten, dass an den Landstromanlagen auch attraktive Strompreise angeboten werden können, um eine höchstmögliche Akzeptanz bei den Nutzern zu erzielen.


In Vertretung:
Daniela Schmitt Staatssekretärin

 

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Jutta unterstützt die Aktion als Patin an der IGS Morbach und am Gymnasium Traben-Trarbach. Infos hier>>

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