Plenarrede

50 Jahre pro familia – 50 Jahre Einsatz für sexuelle Selbstbestimmung auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4640


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! 50 Jahre pro familia in Rheinland-Pfalz, 50 Jahre für sexuelle Selbstbestimmung. pro familia wurde 1952 als Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie gegründet. Ein Leitmotiv war: Jedes Kind hat das Recht, erwünscht zu sein.

1967, also genau vor 50 Jahren, entstand der Landesverband Rheinland-Pfalz. pro familia ist ein konfessionell und parteipolitisch ungebundener gemeinnütziger Fachdienstleistungs- und Interessensverband, und das seit 50 Jahren.

Die Arbeit, die pro familia seit 50 Jahren in Rheinland-Pfalz leistet – natürlich auch in anderen Bundesländern –, kann nicht hoch genug bewertet werden. Dies kam auch auf dem Festakt am 10. November dieses Jahres im Landesmuseum Mainz zum Ausdruck. Einige Kolleginnen und Kollegen waren mit dabei.

Auch die Allgemeine Zeitung setzte am 21. November 2017 mit ihrem Artikel „50 Jahre im Dienst der Familie“ dem Jubiläum einen würdigen Glückwunsch. Das hat mich gefreut.

Wenn jemand nicht teilnehmen konnte, dann darf ich vielleicht mit Erlaubnis des Präsidenten die Broschüre zu 50 Jahre pro familia in Rheinland-Pfalz noch einmal jedem ans Herz legen. Ich kann in diesen paar Minuten natürlich nicht die ganze Geschichte erzählen.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Schade! – Heiterkeit bei dem Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Angebot von pro familia wird angenommen. Über 43.000 Menschen im Jahr kommen durchschnittlich in die Beratungsangebote von pro familia in Rheinland-Pfalz. Mit ihren Informationen über die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung und sexualpädagogischen Angeboten klärt pro familia auf und leistet damit einen enorm wichtigen Beitrag zur Verhinderung von ungewollten Schwangerschaften und der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten.

pro familia berät und unterstützt Frauen und Paare in Krisen- und Konfliktsituationen und zeigt Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfen auf.pro familia bestärkt Kinder und Jugendliche mit ihren Aufklärungsangeboten, selbstbewusst Grenzen zu setzen, aber auch einen unbelasteten Zugang zu ihrer eigenen Sexualität zu finden.

Insbesondere den Angeboten an Sexualpädagogik ist es zu verdanken, dass Deutschland seit Jahren eine der niedrigsten Teenagerschwangerschaftsraten weltweit hat.

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Das ist richtig!)

Nach der Statistik sind es zehn Schwangerschaften auf 1.000 Mädchen. Zum Vergleich: In den USA, die sehr viel restriktivere Gesetze haben, sind es 35 Teenagerschwangerschaften auf 1.000 Mädchen.

Die Veranstaltungen werden in Kooperation mit Jugendverbänden und Schulen angeboten, auch begleitet von Eltern mit Elterngesprächen, und finden für Mädchen und Jungen getrennt statt. Das hat sich – so die Aussage von pro familia – bewährt.

pro familia trägt mit ihren Angeboten – das ist noch nicht so alt – für Prostituierte auch zu deren Schutz und Unterstützung bei. Ein Beispiel in Rheinland-Pfalz ist Roxanne, die Prostituiertenberatung in Koblenz.

pro familia bietet Beratung und Familienplanung an sowie Aufklärungsveranstaltungen für Menschen mit Behinderung, ganz lange ein Tabuthema.

Darüber hinaus ermöglicht es pro familia mit den Schwangerenkonfliktberatungsstellen ungewollt schwangeren Frauen, eine verantwortungsvolle Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft zu treffen.

pro familia betreibt in Rheinland-Pfalz eine Einrichtung zur Durchführung von Abtreibungen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Unversehrtheit von Frauen.

Blickt man zurück auf die Geschichte von pro familia, wird vor allem deutlich, welch zentrale Bedeutung pro familia bei der Verwirklichung des Rechts von Frauen auf Selbstbestimmung und gerade auch sexuelle Selbstbestimmung gespielt hat. Gerade hier haben wir aber aktuell mit erschreckenden Rückschlägen zu kämpfen.

In den rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien grassiert ein frauenfeindliches und antifeministisches Gedankengut, das einen oft sprachlos macht. Die unvorstellbare Rückwärtsgewandtheit, mit der die Rechtspopulisten zivilisatorische Errungenschaften der feministischen Bewegung infrage stellen, hätten viele von uns nicht mehr möglich gehalten.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Um es ganz klar zu sagen: Es geht dabei um eine Renaissance der gesellschaftlich akzeptierten Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen. Das kommt auch in der Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen zum Ausdruck. Gegebenenfalls, so wird gefordert, sei durch gesetzliche Korrekturen ein wirksamer Lebensschutz zu gewährleisten.

(Glocke des Präsidenten)

Was Lebensschutz beinhaltet, werde ich Ihnen in der zweiten Runde sagen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

 

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Kohnle-Gros, selbstverständlich wissen wir auch, dass es viele gute Beratungsstellen in Rheinland-Pfalz gibt. Ich glaube aber, die haben nicht alle 50-jährigen Geburtstag.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Deswegen haben wir pro familia, die gerade 50 Jahre Geburtstag hatten, in den Mittelpunkt unserer Aktuellen Debatte genommen.

Nach den Redebeiträgen, die zum Teil vorgetragen worden sind, möchte ich darauf zurückkommen, dass es eigentlich längst an der Zeit ist, darüber zu sprechen, was der Lebensschutz für den Schutz, die Gesundheit und auch das Leben von Frauen, die von einem Schwangerschaftsabbruch betroffen sind, bedeutet. Das scheint bei einigen von untergeordneter Bedeutung zu sein, wie ich das so entnehmen konnte.

Dass die sogenannten Lebensschützerrinnen die Bezeichnung nicht verdienen, finde ich, zeigt ein Blick auf die aktuelle Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO. Weltweit werden nach wie vor 25 Millionen Abtreibungen mit fragwürdigen und gefährlichen Mitteln vorgenommen. Die Autoren dieser Studien betonen, dass die meisten Schwangerschaftsabbrüche mit unsicheren Methoden in den Ländern durchgeführt werden, in denen Abbrüche entweder ganz verboten oder nur unter rigiden Indikationen erlaubt sind. Die Gesundheitsfolgen für die betroffenen Frauen können fatal sein, in vielen Fällen auch tödlich. So viel zum Thema Lebensschutz.

Natürlich, Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland verboten. Sie sind rechtswidrig, aber straffrei. Das ist das, worauf wir uns gesetzlich geeinigt haben. Wer in die Lage kommt, tatsächlich ungewollt schwanger zu sein und nicht zu wissen,

(Glocke des Präsidenten)

will ich dieses Kind austragen oder nicht, braucht die bestmögliche Unterstützung und Beratung. pro familia und auch andere Beratungsstellen geben sie in diesem Land.

(Glocke des Präsidenten)

Ich hoffe, dass wir nicht noch einmal 50 Jahre kämpfen müssen, bis tatsächlich die Selbstbestimmung der Frauen auch im sexuellen Bereich vollendet ist. Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

 

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Jutta unterstützt die Aktion als Patin an der IGS Morbach und am Gymnasium Traben-Trarbach. Infos hier>>

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