Plenarrede

Aktuelle Entwicklungen in der Diesel-Debatte: Stickoxid-Grenzwerte erhöhen, Mess-Stationen neu aufstellen, Fahrverbote in Rheinland-Pfalz verhindern! – Drucksache 17/8374 –


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir im vergangenen Plenum die Aktuelle Debatte der CDU zum Thema „Fahrverbote verhindern – Soziale Härten vermeiden – Grenzwerte überprüfen“ hatten, wartet die AfD nun mit ihrer Aktuellen Debatte „Aktuelle Entwicklungen in der Diesel-Debatte: Stickoxid-Grenzwerte erhalten, Mess-Stationen neu aufstellen, Fahrverbote in Rheinland-Pfalz verhindern!“ auf.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Ich frage mich, was jetzt aktuell an der Debatte ist. Sind alle Messstationen in den letzten zwei Wochen umgefallen, so dass sie neu aufgestellt werden müssen? Welchen Grenzwert will die AfD „erhalten“, nachdem sie noch vor einer Woche titelte: „Stickoxid-Grenzwerte auf 50 μg erhöhen“? Vorhin haben Sie wieder davon gesprochen. Nicht „erhalten“, sondern Sie wollen sie erhöhen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Richtig lesen!)

Auch das Mantra – wortgleich mit der Aktuellen Debatte der CDU-Fraktion von vor drei Wochen – „Fahrverbote verhindern“ ist fern jeder Aktualität. Das haben meine Vorredner noch einmal bestätigt.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hören Sie nicht zu?)

Halt! Etwas in der Debatte ist tatsächlich neu. Nachdem Sie vor drei Wochen die Kritik von 100 Lungenfachärzten – 100 von über 4.000, sei dazugesagt – an den Grenzwerten der EU aufgefahren haben, ist das einzig Aktuelle, dass die taz in der letzten Woche sehr akribisch bewies, dass sich Dr. Köhler, der Kopf der Bewegung, bei seinen sogenannten Untersuchungen mehrfach schlicht verrechnet und zudem mit falschen Ausgangswerten gearbeitet hat. Er hat auch NOx und NO2 verwechselt. Bei NO2 verkehrt sich Köhlers intendierte Aussage durch den Fehler sogar ins Gegenteil. Köhler selbst, so die taz am 16. Februar, räumt schließlich ein, den seit 15 Jahren geltenden EU-Wert überhaupt nicht zu kennen.

So viel zur ultimativen Expertendiskussion von vor drei Wochen. Um es noch einmal deutlich zu sagen, das war keine Expertendiskussion im Sinne von: es gibt verschiedene Ansichten zu einem Sachverhalt. Das, was der Lungenfacharzt Dr. Köhler an absurder Debatte um die Feinstaubgrenzwerte aufgewirbelt hatte, kann mit Fug und Recht als Fake News bezeichnet werden. Mir scheint, damit kennt sich die AfD aus.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD –Abg. Michael Frisch, AfD: Alles, was nicht grün ist, ist Fake News!)

Die aktuelle Wirtschafts Woche, wahrscheinlich nicht so links verortet von Ihnen wie die taz, kommentiert dazu in einem Essay mit dem Titel „Die gekaufte Wissenschaft“: „Auf der Strecke bleiben die Wertneutralität der Forschung und der Ruf der unabhängigen Wissenschaft.“

Ansonsten ist der aktuelle Stand wie gehabt. Ich zähle einmal auf, mich anlehnend an meine Rede von vor drei Wochen: Fahrverbote will keiner, Fahrverbote werden auch nicht politisch erlassen, sondern sind Maßnahmen, die durch Gerichtsurteile angeordnet werden. Die Automobilindustrie hat jahrelang Käuferinnen und Käufer betrogen. Die Bundesregierung lässt durch mangelnde Durchsetzungskraft – manche nennen das offensichtlich auch Regieren – Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen und auf den Kosten für a) die Umrüstung und b) den Werteverlusten sitzen.

Die Automobilindustrie weigert sich nach wie vor trotz Gewinnen, für die von ihnen selbst Geschädigten kostenfreie Hardwareumrüstungen zu übernehmen.

Schlussendlich zu den Grenzwerten: Nach wie vor aktuell gilt das Vorsorgeprinzip, und die Höhe der Schadstoffgrenzen wird im Übrigen regelmäßig überprüft. In dem Fall der Stickstoffdioxide war das zuletzt im Jahr 2013.

Das Klagen über die Einschränkungen für Autofahrerinnen und Autofahrer blendet total aus, dass das Ziel aller Grenzwerte die Bewahrung der Gesundheit vor hohen Feinstaub- und Stickstoffwerten ist. Das haben unsere europäischen Nachbarn, für die die gleichen Grenzwerte gelten, viel länger und drastischer umgesetzt: London – City Maut; Paris und Madrid – strenge Umweltzonen, horrende Parkgebühren; Kopenhagen – Fahrradstadt. Nur die Bundesrepublik hat seit zehn Jahren nichts getan.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Thessaloniki?)

Die EU hat übrigens – ich sage das jetzt einmal hier, damit nicht in zehn Jahren jemand sagt, er habe es nie gehört – in Sachen Luftreinhaltung aktuell eine weitere Entscheidung getroffen. Bis 2025 soll der Schadstoffausstoß bei Lkw um 15 %, bis 2030 um 30 % sinken. Dazu der CDU-Politiker Jens Gieseke: Das muss die Politik unterstützen. – Frau Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sagt: Wir brauchen eine Verkehrswende. Wir brauchen mehr Güter auf die Schiene. Wir müssen schrittweise weg von den fossilen Verkehrsträgern. – Sie zählt auch direkt eine ganze Reihe von möglichen und machbaren Substitutionen auf,

(Glocke des Präsidenten)

unter anderem auch die Gewinnung von Treibstoff aus als Altspeisefett.

Es gibt also noch viele Möglichkeiten, aber mehr dazu gern in der zweiten Runde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Baldauf, was war denn der Sinn Ihres letzten Satzes, wir sollen keine Fahrverbote zulassen?

(Zurufe von der CDU – Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmtden Vorsitz)

Wer will hier Fahrverbote zulassen und wer nicht? – Es sind Gerichte, die urteilen.

Vielleicht geht das irgendwann einmal in Ihren Schädel, und Sie versuchen auch einmal, hier etwas anderes als die populistische Schiene zu fahren. Das scheint Ihnen ja offensichtlich zu gefallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wiesbaden hat übrigens tatsächlich eine Minderung der Schadstoffe erreicht. Weswegen? Aufgrund von grüner Verkehrspolitik. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen. Also, beherzt in die Verkehrswende, statt alten Zeiten hinterherzujammern, als der Gestank von Benzin und Abgasen noch als der Duft der großen weiten Welt verkauft wurde.

Die Verkehrswende wird neue Arbeitsplätze schaffen, falls die deutsche Automobilindustrie die Wende nicht verpennt.

Mit einer Stärkung des Mobilitätsmixes, mit dem Ausbaudes ÖPNV, mit dem Ausbau des Rheinland-Pfalz-Takts, mit der Unterstützung von Städten und Gemeinden beim Erwerb beispielsweise neuer Busse – das haben wir morgen auch noch einmal zu Mainz – und mit der Stärkung des Umweltverbunds, mit diesen Maßnahmen befindet sich Rheinland-Pfalz auf dem richtigen Weg für eine Verkehrswende.

Herr Baldauf, wissen Sie, die Leute sind schon viel weiter als Sie. Wenn Sie nämlich sehen, wie – – –

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ja! Abg. Christian Baldauf, CDU: Echt?)

– Ja, allerdings. Auf dem Fahrrad sogar.

(Zurufe aus dem Hause)

– Ja, unglaublich, nicht? Sie sind doch der Fahrradfahrer vor dem Herrn.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ne, ne, ne!)

Aber tatsächlich ist es so, dass gerade die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer der Fahrradinfrastruktur in den letzten Jahren enorm gestiegen ist. Es sind auch die CDU-geführten Kommunen, die die Unterstützung der Landesregierung, die entsprechende Gelder für die Fahrradinfrastruktur bereitstellt, gern in Anspruch nehmen. Unterhalten Sie sich doch einmal mit Ihren kommunalen Freundinnen und Freunden.

Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, der SPD und der FDP)

 

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