Mündliche Anfrage vom 30.08.2012

Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler und Ulrich Steinbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur "Tourismusstrategie 2015"

Herr Steinbach wird vortragen. Bitte schön.

Abg. Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Ich frage die Landesregierung:

  1. Warum war aus Sicht der Landesregierung eine Überarbeitung der 2008 verabschiedeten Tourismusstrategie 2015 erforderlich und was sind die wesentlichen Änderungen?
  2. Welches sind die Schwerpunkte der neuen Strategie?
  3. Wie stellt sich die Landesregierung die Finanzierung der touristischen Aufgaben in Zukunft vor – vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen finanziellen Situation vieler Kommunen?
  4. Wie plant die Landesregierung die weitere Entwicklung barrierefreier touristischer Angebote?

Präsident Mertes:
Ich erteile Frau Wirtschaftsministerin Lemke das Wort. Bitte schön.

Frau Lemke, Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage des Abgeordneten Ulrich Steinbach wie folgt und wiederhole noch einmal die Fragen:

Zu Frage 1: Warum war aus Sicht der Landesregierung eine Überarbeitung der 2008 verabschiedeten Tourismusstrategie 2015 erforderlich und was sind die wesentlichen Änderungen?
Eine Strategie, die einen sehr langen Zeitraum betrachtet, sollte zwischendrin validiert, überarbeitet und überprüft werden, ob sie immer noch die richtigen Ziele verfolgt, ob sie ankommt, ob sie funktioniert. Deswegen haben sich die beteiligten Partner, die sich auch der Strategie im Jahr 2008 verpflichtet haben, entschlossen, eine Validierung vorzunehmen.

Zu den Partnern gehören nicht nur das Ministerium für Wirtschaft, sondern auch der Tourismus- und Heilbäderverband Rheinland-Pfalz, die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH – kurz RPT –, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Rheinland-Pfalz – DEHOGA – und die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern, die die letzte Tourismusstrategie und jetzt auch die Fortschreibung gemeinsam verabredet haben. Die Strategie ist die gemeinsame Basis für die Weiterentwicklung des Wirtschaftsfaktors Tourismus, der mit einem Umsatz von 7,6 Milliarden Euro und 190.000 Arbeitsplätzen entscheidend zur Wirtschaftskraft des Landes beiträgt. Ich kann es auch anders ausdrücken.

Ich kann sagen: Jede fünfte Familie in Rheinland-Pfalz hat ein Familienmitglied, welches durch den Tourismus zum Familieneinkommen beiträgt. Es ist also ein ganz entscheidender Faktor. Es geht auch darum, die wesentlichen touristischen Handlungsfelder des Landes für die kommenden Jahre festzuschreiben und die Mittel gezielt dort einzusetzen, wo die wirtschaftlichen Chancen für den Tourismus am größten sind.

In der Strategie ist festgelegt, dass sie etwa zur Halbzeit der Zwischenbilanz unterzogen wird und angepasst werden soll. Dazu gab es eine Begleitung durch die Firma PROJECT M aus Lüneburg, die zunächst eine Befragung von mehr als 50 Teilnehmern – das waren unter anderem Kommunen, Tourismusorganisationen, Verbände – durchgeführt hat, ob und inwieweit die bisher festgelegten Zielsetzungen der Strategien erfüllt worden sind und wo Verbesserungswünsche bestehen. Diese sind in die Betrachtung eingeflossen und haben zu der Überarbeitung geführt.

Zu Frage 2: Welches sind die Schwerpunkte der neuen Strategie, und was ist darunter zu verstehen?
Die Schwerpunkte der Strategien bauen auf dem auf, was in der alten Strategie schon recht gut funktioniert hat. Das waren – ich will das in vier Stichpunkten aufführen – das Radfahren, das Wandern, der Wein in Rheinland-Pfalz und die Gesundheit. Die neuen Strategiefelder sind eine Ausweitung und gehen vor allen Dingen davon aus, dass die Zielgruppen, die im Tourismus erreicht werden sollen, häufig unterschiedliche Bedürfnislagen haben.

Das heißt, der Kunde sucht verschiedene Produkte. Er fährt in der Regel nicht den ganzen Tag Fahrrad und trinkt auch nicht den ganzen Tag Wein. Dafür hat jedoch dieses Land wunderbare kulturelle Schönheiten und eine wunderbare Natur, die man genießen kann. In der Regel ist es so, dass je nach Altersklasse und Geldbeutel der Gäste, die wir in Rheinland-Pfalz empfangen können, der Mix aus den verschiedenen Aktivitäten und ein entsprechendes Angebot für einen Mix dieser Aktivitäten in ein gutes Angebot einfließen müssen.

Dazu zählt – das wissen wir aus verschiedenen Studien – vor allem die Einbindung der regionalen Identität. Die Gäste suchen das ganz Spezielle, das ganz Besondere aus den Regionen und – wie schon erwähnt – Kultur und Natur als Schlüssel für die Profilierung. Dazu kommt, dass wir diese Profilierung herausarbeiten wollen. Also auch der Nationalpark darf in der neuen Tourismusstrategie eine entsprechende Wertschätzung erhalten, und er braucht auch einen Umgang im Marketing.

Die weiteren Felder sind vor allen die Qualitätsansätze. Rheinland-Pfalz hat sich im Tourismus sehr weit entwickelt. Wir sind im letzten Kalenderjahr im Bereich der Qualitätszertifizierung unserer Akteure im Tourismus sehr weit vorangekommen und sind sogar mit 570 qualifizierten Betrieben noch vor Baden-Württemberg an die erste Stelle im Bundesländervergleich gesprungen. Dies wollen wir unbedingt ausbauen. Deswegen sieht die Strategie auch eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeit vor,
die sich nicht nur auf die Servicequalität, sondern auch auf die ökonomischen, ökologischen und den sozialnachhaltigen Tourismus als übergeordnetes Ziel festlegt.

Zielgruppenorientierte Weiterentwicklung der Qualität über diese drei Kategorien geht sehr weit. Zum Beispiel soll der Ausbau der Barrierefreiheit ein weiterer Schwerpunkt sein. Natürlich sollen die Erlebnis-, Informations- und Kommunikationsqualität verbessert werden. Insgesamt kann man deswegen sagen, eine stärkere Ausrichtung der gesamten Tourismusstrategie auf das Tourismusgewerbe mit Bezug auf Inhalte und Kommunikation ist die beste Bedingung und Voraussetzung für die örtlichen Betriebe, sich weiterentwickeln zu können.

Das umfasst das wichtige Strategiefeld Organisation und Finanzierung für alle Beteiligten im Tourismus. Dies hat Eingang gefunden. Eine konkrete Umsetzung zur stärkeren Vernetzung und Kommunikation haben die Beteiligten der Überarbeitung – ich habe sie eben genannt, Tourismus- und Heilbäderverband Rheinland-Pfalz, Tourismus GmbH, DEHOGA, IHK-Arbeitsgemeinschaft – schon jetzt vorgenommen. Wir haben ein Tourismusnetzwerk mit einer eigenen Plattform gegründet, die im Internet unter www.tourismusnetzwerk.info zu finden ist.

Hier finden Sie die Präsentationen der regionalen Tourismusorganisationen, die sich angeschlossen haben. Es sind zehn. Es ist der Ahrtal-Tourismus, Westerwald-Tourismus, Naheland-Tourismus, Rheinhessen-Tourismus, Pfalz-Tourismus, Hunsrück-Tourismus, Eifel-Tourismus, Lahntal-Tourismus, Moselland-Tourismus und der Romantische Rhein. Die Verbindung dieser Regionen in einem großen Netzwerk zur Verbesserung der Marketing- und Kommunikationsaktivitäten steht im Mittelpunkt.

Zu Frage 3: Wie stellt sich die Landesregierung die Finanzierung der touristischen Aufgaben in Zukunft vor – vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen finanziellen Situation vieler Kommunen?
Die Frage nach der Finanzierung im Tourismus ist eng verknüpft mit der Frage einer optimalen Organisationsstruktur. Ich würde gern die Zielgruppen, was die Finanzierung im Tourismus betrifft, differenzieren.

Zum einen haben wir originär die Betriebe, die im Tourismus aktiv sind. Zum anderen haben wir die Kommunen, die auch eine Rolle spielen bei zum Beispiel der Gestaltung der Stadtbilder und beim Erhalt unserer Kultur- und Naturdenkmäler. Da spielt auch die Landesregierung eine Rolle. Es gibt die Akteure im Tourismus, die das Tourismusmarketing organisieren. Das sind die, die sich in diesem Netzwerk befinden, über das ich geredet habe.

Wir haben festgestellt, dass eine optimale Organisationsstruktur allen Beteiligten extrem Kosten sparen hilft. Ich bringe es auf den Punkt. Wenn sich jeder Einzelne vermarkten will, dann kann er sich am Markt sehr schlecht platzieren. Das trifft sowohl auf den einzelnen Betrieb zu wie auch auf eine Region, die sich nach draußen präsentieren will. Das heißt, Rheinland-Pfalz auch im Tourismus ein starkes gemeinsames Image, eine gemeinsam wahrnehmbare Prägung, eine Marke zu verleihen, ist das Ziel dieser Strategie.

Optimieren in der Organisationsstruktur heißt auch verknüpfen und die Marketingaktivitäten so zu bündeln, dass es erheblich Kosten spart. Das ist das Ziel des eben genannten Tourismusnetzwerkes. Der zweite Punkt ist die Effizienzoptimierung in der Tourismusfinanzierung, und zwar horizontal als ein Beispiel etwa durch Aufgabenübertragung von der Ortsebene auf die Verbandsgemeindeebene oder in vertikaler Richtung durch die Vermeidung von Zwischenebenen wie Orts- und Verbandsgemeinden.

Hier ist viel Kommunikationsbedarf bei der Identifizierung von touristischen Aktivitäten und Finanzierungsmaßnahmen notwendig. Wir haben festgestellt, dass die einzelnen Finanzierungsnotwendigkeiten zwischen den in vertikaler und horizontaler Ebene angeordneten Akteuren teilweise überhaupt nicht vollständig bekannt sind. Das heißt, wir wollen diese identifizieren und effizienter gestalten.

Es gibt einen dritten Lösungsweg. Der dritte Lösungsweg wird in der Tourismusstrategie unter Ausschöpfung bestehender Finanzierungsmöglichkeiten, etwa des Kur oder Fremdenverkehrsbeitrages, benannt. Dahinter steht die Überzeugung, dass alle, die vom Tourismus profitieren, auch Finanzierungsbeiträge leisten könnten. Das sind Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe, aber auch angeschlossen Handel, Kuranbieter und andere Bereiche, wo man sehr genau hinschauen muss, wer Profiteur ist und wer nicht, weil längst nicht alle im Handel zu den Profiteuren gehören.

Die Tourismusstrategie gibt den freiwilligen gemeinsamen Lösungen einen deutlichen Vorrang und stellt die Forderung auf, in jedem Fall Verfahren zu finden, die zahlenden Betriebe an der Entscheidung über die Mittelverwendung zu beteiligen. Das schließt aber die vollständige Nutzung des Instruments des Fremdenverkehrsbeitrages überhaupt nicht aus. Da besteht noch Potenzial.

Zu Frage 4: Wie plant die Landesregierung die weitere Entwicklung barrierefreier und touristischer Angebote?
Es gibt verschiedene Leitfäden. Einen solchen Leitfaden hat die Landesregierung für die Region, die Orte und die Betriebe herausgegeben, den ich hier zeigen möchte. Diesen Leitfaden finden Sie im Internet als PDF auf der Seite des Tourismusnetzwerkes wie alle anderen Leitfäden auch. Diese sind gut einzusehen. Dieser Leitfaden enthält viele praktische Hinweise für die Akteure.

Sie müssen sich vorstellen, viele Menschen haben in diesem Land schon viele Aktivitäten hinsichtlich der Barrierefreiheit zum Beispiel im öffentlichen Personennahverkehr immer wieder angestoßen. Es ist schon viel passiert. Aber für jeden einzelnen Betrieb und bei jedem einzelnen kommunalpolitischen Akteur ist dieses Bewusstsein noch nicht ausgeschöpft. Dies wollen wir tun.

Deswegen gibt es diese praktischen Hinweise. Es sollen möglichst barrierefreie Reiseangebote als ein weiteres Angebot für die soziale und wirtschaftliche Zukunft des Landes dargestellt werden. Wir wollen Potenziale erschließen. Wir wissen, dass die älteren Menschen, die zunehmend auf Reisen gehen, häufig zunehmend mit körperlichen Beschwerden auf Reisen gehen.

Damit steigt nicht nur die Zahl der Menschen, die Behinderungen haben, sondern auch die Zahl der Menschen, die zusätzlich Beeinträchtigungen haben werden. Damit steigt der Kreis derer, die sich angesprochen fühlen. Dieses Potenzial wollen wir damit heben.

Bewusstsein schaffen ist der erste Schritt, um darauf aufmerksam zu machen, was man tun kann, wie Gebäude und Räumlichkeiten barrierefrei gestaltet werden können. Aber auch Gruppen wie Eltern mit Kindern oder Senioren profitieren von diesen Maßnahmen. Der Gast soll ein umfassendes Urlaubserlebnis haben. Es gilt nicht nur für die Räumlichkeiten, sondern auch für die kulturellen Einrichtungen. Es ist ein Entwicklungsprozess. Es werden unterschiedliche, für den Gast interessante Betriebe und Angebote in einem Ort oder in einer Region für den barrierefreien Tourismus erschlossen und miteinander vernetzt. Die RPT (Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH) wird zu diesem Leitfaden Schulungen und praktische Umsetzungshilfen anbieten, und zwar nicht nur für die Kommunen, sondern auch für die angesprochenen Betriebe.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und der SPD)



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