Kleine Anfrage 17/83

der Abgeordneten Daniel Köbler und Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Drucksache 17/309 -

Lärm-Studie der Universitätsmedizin Mainz


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/83 – vom 8. Juni 2016 hat folgenden Wortlaut:
Eine aktuelle Studie der Universitätsmedizin Mainz hat Auswirkungen von Lärm auf die psychische Gesundheit untersucht. Es wurden 15 000 Menschen aus der Stadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen befragt. Dabei hat sich gezeigt, dass ein klarer Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und psychischen Erkrankungen besteht. Bei extremer Lärmbelästigung sind Depressionund Angst immerhin doppelt so häufig wie bei geringer Lärmbelästigung.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Ist der Landesregierung die Lärm-Studie der Universitätsmedizin Mainz bekannt?
  2. Wie beurteilt die Landesregierung die Ergebnisse mit Blick auf die Gesundheit der Bevölkerung?
  3. Was unternimmt die Landesregierung, um die Lärmbelastung der Bevölkerung zu verringern?

Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 30. Juni 2016 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Der Landesregierung ist die Lärm-Studie der Universitätsmedizin Mainz bekannt. Es handelt sich hierbei um eine Studie zum Zusammenhang von Lärmbelästigung und Depressionen sowie Beängstigung in der Allgemeinbevölkerung auf der Basis der Daten der Gutenberg Health Study (GHS).

Zu Frage 2:
Die psychischen Folgen von Lärmbelastungen sind schon lange bekannt. Sie standen allerdings bislang nicht im Vordergrund der Lärmwirkungsforschung. Häufig untersuchter Gegenstand der Lärmwirkungsforschung waren bisher Belästigung, Schlafstörung, Herzkreislauferkrankung und kognitive Beeinträchtigung bei Kindern. Mit der im Mai 2016 veröffentlichten Studie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz rückt die Auswirkung von Lärm auf Depression und Angst weiter in den Blickpunkt.

Bereits im Oktober 2015 wurde die Verbindung von Lärm zu Depression bereits durch die Ergebnisse der NORAH-Studie (Noise-Related Annoyance, Cognition, and Health) hergestellt, für die Daten aus dem Umfeld der Verkehrsflughäfen Frankfurt/Main, Stuttgart, Köln/Bonn und Berlin Brandenburg ausgewertet wurden. In der Studie der Universitätsmedizin wurden sowohl der Grad der Belästigung als auch die Kriterien für die Krankheitsbilder durch Fragebogen bei etwa 15 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen erhoben. Die Studienteilnehmenden gaben an, wie sie die Lärmbelästigung einschätzten. Nicht ermittelt wurde der tatsächliche physikalische Lärm.

Es wurde festgestellt, dass Depression und Angst desto häufiger auftreten, je höher die Lärmbelästigung ist. So kommen in der höchsten von fünf Lärmbelästigungskategorien Depressionen und Angstzustände jeweils etwa doppelt so häufig vor, wie bei Abwesenheit von Lärm. Dabei waren im Untersuchungsgebiet Fluglärm und Straßenverkehrslärm die wichtigsten Lärmquellen. Auch die NORAH-Studie zeigt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Geräuschpegel von Flug-, Straßen- und Bahnlärm und dem Auftreten der Depression, welche beim Straßenverkehr generell und bei Flug- und Bahnlärm mit der Ausnahme sehr lauter Gebiete mit dem Geräuschpegel zunimmt.

Die neue Studie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu den psychischen Folgen einer dauerhaften Lärmbelästigung bestätigt die Ergebnisse der NORAH-Studie und sieht die psychischen Folgen als einen weiteren Aspekt der pathogenen Auswirkungen von Lärm auf den Menschen.
Die Studie verdeutlicht, dass „belästigender“ und „gesundheitsschädlicher“ Lärm nicht strikt voneinander zu trennen sind. Schädliche Effekte setzen bereits bei Lärmpegeln ein, die unterhalb der verschiedenen geltenden Grenz- oder Zielwerte liegen. Belästigungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen werden mit zunehmenden Pegeln stärker.

Zu Frage 3:
Das Instrument zur flächenhaften Verringerung der Lärmbelastung der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz an Straßen- und Bahnstrecken ist die Lärmaktionsplanung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Beim Schutz vor Bahnlärm hat sich die Landesregierung erfolgreich für Fortschritte eingesetzt. So ist anstelle der Kommunen jetzt das Eisenbahnbundesamt für die Aufstellung eines bundesweiten Lärmaktionsplanes für die Haupteisenbahnstrecken mit Maßnahmen in Bundeshoheit verantwortlich. Damit können in der Lärmaktionsplanung die besonders wirksamen Maßnahmen an der Quelle leichter umgesetzt werden.

Aktuell fordert die Umweltministerkonferenz deshalb auch, den Lärmaktionsplan des Eisenbahnbundesamtes zukünftig mit dem Lärmsanierungsprogramm an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes zu verknüpfen. Inzwischen ist auch der sogenannte Schienenbonus (5 Dezibel [A]) sowohl bei Neubau und wesentlichen Änderungen als auch bei der Lärmsanierung von Bestandstrecken abgeschafft. Durch die Angleichung der Lärmsanierungsgrenzwerte für Schienenwege an die für Straßen im Bundeshaushaltsgesetz sind die Anforderungen beim Bahnlärm an Bestandsstrecken um 8 Dezibel (A) anspruchsvoller als bis Ende 2015.

Das Land wird weiter auf ein Fahrverbot von lauten Güterzügen spätestens ab 2020 dringen, sollte sich der Bahnlärm im Mittelrheintal absehbar bis 2020 nicht um 10 Dezibel (A) verringern. Es begrüßt die Ankündigungen des Bundes, dass ab 2020 keine lauten Güterwagen mehr auf dem deutschen Schienennetz fahren dürfen und nunmehr nach dem rheinland-pfälzischen Gutachten zur „Zulässigkeit von Geschwindigkeits- und Durchfahrtbeschränkungen für laute Güterzüge im Mittleren Rheintal aus der Warte des deutschen und europäischen Rechts“ eine entsprechende Gesetzesgrundlage erarbeitet wird.

Um die Entwicklung beim Bahnlärm transparent zu machen, werden die stationären Bahnlärmmessungen des Landes fortgeführt, die zusammen mit den hessischen Messungen auf der Grundlage des 10-Punkte Programmes „Leises Rheintal“ der Ausgangspunkt für ein deutschlandweites Monitorsystem sind, das das BMVI jetzt beabsichtigt einzuführen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8651 vom 2. Juni 2016).

Die Landesregierung setzt die Unterstützung der Kommunen bei der Lärmaktionsplanung an den Hauptverkehrsstraßen fort, damit dort Maßnahmen umgesetzt werden können. Mit der überarbeiteten Handreichung zu Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen haben die Kommunen eine Handlungshilfe erhalten, die ihre Kompetenz bei der Entscheidung über die Anordnung stärkt. Mit dem erleichterten Zugang zu Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Tempo 30 haben Kommunen eine kostengünstige, wirksame und kurzfristig durchführbare Maßnahme zum Lärmschutz erhalten. Dies trägt auch zur Stärkung des lärmfreien und umweltfreundlichen Fuß- und Radverkehrs bei. Dazu sind seitens des Landes auch sechs Lärmmessstationen für das Monitoring von Geschwindigkeitsbeschränkungen für die Kommunen verfügbar.

Die Landesregierung engagiert sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden politischen und rechtlichen Mitteln für eine Verringerung des Fluglärms. Sie ist unter anderem Gastmitglied in der Kommission zur Abwehr des Fluglärms am Flughafen Frankfurt Main (FLK). Durch Vorschläge und Anregungen in den Sitzungen der FLK setzt sich die Landesregierung für eine Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in Rheinhessen und Mainz ein. Mit der gemeinsamen Gesetzesinitiative (Bundesratsdrucksache 550/15 vom 17. November 2015) wollen die Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg eine Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm und die Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung herbeiführen. Der Antrag wurde im Bundesrat noch nicht entschieden. Die Initiative wird von der Landesregierung weiter verfolgt.

Nach Auffassung der Landesregierung bedarf das Luftverkehrsgesetz dringend einer Überarbeitung. Ein wesentliches Ziel dabei muss sein, bei der Festlegung von Flugverfahren den Lärmschutz, insbesondere in den Nachtstunden, zu verbessern. Eine höhere Gewichtung des Schutzes vor Fluglärm bei der Verfahrensplanung ist dringend geboten.

In der Bundesratsinitiative der drei Länder wird auch eine Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschlagen. Bei einer erstmaligen Festlegung oder bei einer wesentlichen Änderung von Flugrouten soll eine angemessene Beteiligung der betroffenen Gemeinden und der in ihren Aufgaben berührten Träger öffentlicher Belange sowie der Öffentlichkeit sichergestellt werden. Die Verkehrsressorts der Länder haben sich zum geplanten Luftverkehrskonzept der Bundesregierung dahingehend positioniert, dass ein Fluglärmreduzierungskonzept, insbesondere bei der Planung und Festlegung von Flugverfahren, erforderlich ist.

Finanziell unterstützt die Landesregierung den Landkreis Mainz-Bingen bei der Fluglärmklage gegen die sogenannte Südumfliegung des Flughafens Frankfurt und betreibt derzeit in Mainz drei Fluglärmmessstationen. Der Bundesrat hat auf Initiative von Rheinland-Pfalz bereits festgestellt, dass mit Blick auf den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm weiterer Reformbedarf bei den Rechtsgrundlagen zum Flugverkehr besteht und hat die Bundesregierung um Prüfung insbesondere folgender Aspekte gebeten:

  • Stärkung des aktiven Lärmschutzes,
  • Verbesserung des passiven Lärmschutzes im Fluglärmschutzgesetz,
  • Verbesserung der Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Flugroutenfestsetzung,
  • Verbesserung des Lärmschutzes bei der Festlegung von Flugrouten,
  • Senkung der Grenzwerte im Fluglärmschutzgesetz,
  • Beschränkung der Flugverkehrskontrollfreigaben auf das notwendige Maß zur Vermeidung nicht zugelassener faktischer Flugrouten.

Aus Sicht der Landesregierung ist insbesondere eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich, die die gesetzliche Nachtruhe festschreibt, Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation zu einer Aufwertung des Schutzes vor Fluglärm insbesondere bei der Festlegung und wesentlichen Änderung von Flugrouten verpflichtet, Lärmobergrenzen (Richtwerte für die Lärmbelastung bezüglich Dauer- und Spitzenpegel) einführt, Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Neufestlegung und wesentlicher Änderung von Flugrouten einführt.


In Vertretung:
Dr. Thomas Griese
Staatssekretär

 

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