Kleine Anfrage 17/6671

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Radland Rheinland-Pfalz: Wirtschaftsfaktor Radverkehr
Drucksache 17/6853


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/6671 – vom 29. Juni 2018 hat folgenden Wortlaut:

Die Bedeutung des Radverkehrs nimmt kontinuierlich zu: Immer mehr etabliert sich das Fahrrad als Alternative zum Auto, wenn es darum geht, zur Arbeit zu pendeln, Einkäufe zu erledigen oder einfach nur einen Ausflug am Wochenende zu unternehmen. Abgesehen von den gesundheitlichen Vorteilen bietet das Fahrrad die Chance auf weniger Lärm und weniger Immissionen und kann damit eine wichtige Rolle spielen bei der Bekämpfung des Klimawandels. Voraussetzung ist die Schaffung einer den Fahrradverkehr fördernden Infrastruktur.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die wirtschaftliche Entwicklung in Hinblick auf mit der Herstellung, dem Verkauf, dem Verleih und der Reparatur von Fahrrädern verbundenen Unternehmen in Rheinland-Pfalz vor?
2. Wie haben sich die Arbeitsplatzzahlen in Hinblick auf fahrradspezifische Branchen entwickelt?
3. Welche Ausbildungsgänge werden im Bereich der Fahrradwirtschaft angeboten?
4. Welchen wirtschaftlichen Nutzen misst die Landesregierung dem Fahrrad-Tourismus bei?
5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über kommunale Konzepte zur Förderung des Fahrrad-Tourismus vor?
6. Wie bewertet die Landesregierung den volkswirtschaftlichen Nutzen des Radverkehrs?


Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 18. Juli 2018 wie folgt beantwortet:

Zu den Fragen 1 und 2:
Die amtliche Statistik erfasst einzelne Branchen nach Maßgabe der „Klassifikation der Wirtschaftszweige“ (Ausgabe 2008). Die Herstellung, der Verkauf, der Verleih und die Reparatur von Fahrrädern sind in dieser Klassifikation nicht als eigenständige Branche ausgewiesen. Statistische Erkenntnisse über nicht klassifizierte Branchen lassen sich allerdings teilweise aus der Umsatzsteuerstatistik ziehen, denn diese ermöglicht tiefergehende Auswertungen, mit denen auch kleinere Branchen erfasst werden können. Im vorliegenden Fall lassen sich der Einzelhandel mit Fahrrädern und die Herstellung von Fahrrädern abbilden, wobei für letztere die Einschränkung gilt, dass auch u. a. Rollstühle und Kinderwagen umfasst sind. Nach den Zahlen des Statistischen Landesamtes aus der Umsatzsteuerstatistik gab es in Rheinland-Pfalz im Jahr 2014 fünf Hersteller von Fahrrädern mit einem steuerbaren Umsatz von rund 12,3 Mio. Euro. In den Jahren 2015 und 2016 gab es jeweils sechs Hersteller, die in 2015 ca. 14,3 Mio Euro und in 2016 etwa 14 Mio. Euro steuerbaren Umsatz erwirtschafteten.

Die gleiche Statistik weist für das Jahr 2014 253 Einzelhandelsunternehmen aus, welche in Rheinland-Pfalz u. a. Fahrräder vertrieben und dabei 264,8 Mio. Euro steuerbaren Umsatz erwirtschafteten. Für das Jahr 2015 waren es 252 Unternehmen mit 334,5 Mio. Euro und für das Jahr 2016 241 Unternehmen mit 388 Mio. Euro steuerbarem Umsatz.

Auf der Grundlage der vorliegenden Daten können keine Aussagen zu den Arbeitsplatzzahlen in fahrradspezifischen Branchen getroffen werden.

Zu Frage 3:
Im Bereich der Fahrradwirtschaft gibt es den/die Zweiradmechatroniker/in, Fachrichtung Fahrradtechnik (dreieinhalbjährige Ausbildung – Abschluss Gesellenbrief) und den/die sogenannte/n Fahrradmonteur/in (zweijährige abgestufte Ausbildung, Fachpraktiker).

Zu Frage 4:
Die wirtschaftliche Bedeutung des Radtourismus in Rheinland-Pfalz wurde letztmalig im Jahr 2007 in einer im Auftrag des Ver- kehrsministeriums durchgeführten Untersuchung des Europäischen Tourismus-Instituts aufgezeigt. Danach sorgten rund 18 Mio. Radtouristen im Jahr für eine Wertschöpfung von rund 340 Mio. Euro. Das entspricht in Rheinland-Pfalz rund einem Zehntel der gesamten touristischen Wertschöpfung. Künftige Potenziale im Radtourismus bestehen vor allem in den Bereichen Pedelec und Barrierefreiheit.

Zu Frage 5:
Mit den landesweiten Konzepten „Großräumiges Radwegenetz Rheinland-Pfalz“, den „Hinweisen zur wegweisenden und touristi- schen Beschilderung für den Radverkehr in Rheinland-Pfalz“ und der „Tourismusstrategie Rheinland-Pfalz“ hat das Land in den letzten 15 Jahren weitreichende Grundlagen entwickelt, um den Radtourismus im Land voranzubringen. Die Einführung dieser landesweit einheitlichen Konzepte hat dazu geführt, dass die Qualifizierung und einheitliche Beschilderung von touristischen Radrouten in den Kommunen aufgegriffen und gemeinsam mit Nachbarkommunen, verbandsgemeindeübergreifend oder kreisübergreifend in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Mobilität umgesetzt wurde. Damit konnte ein großes, vernetztes und landesweit einheitlich beschildertes touristisches Radwegenetz in Rheinland-Pfalz geschaffen werden. Dies wurde u. a. durch die zielgerichtete Förderung des Radtourismus und die touristische Vermarktung durch die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH und die regionalen Tourismusorganisationen erreicht. Diese Entwicklungen werden auch im grenzüberschreitenden Raum insbesondere bei Radwegebeschilderungs- und Baumaßnahmen umgesetzt.

Zu Frage 6:
Nach der Radreiseanalyse 2018 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs e. V. (ADFC) bietet der Radtourismus vor allem in den Segmenten Kurzreise und Tagesausflüge großes Potenzial für Destinationen in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz. Für rund 167 Millionen Tagesausflüge und 99 Millionen Ausflüge im Urlaub nutzen Deutsche das Fahrrad.

Mit dem Anstieg von Tages- und Kurzzeittourismus werden auch Mietfahrradangebote immer wichtiger. 40 Prozent der Tagesausflügler und 68 Prozent der Kurzreisenden interessieren sich für Mieträder, davon 50 Prozent für Elektrofahrräder. Die Zielgruppe der Kurzreisenden fährt darüber hinaus häufiger Sterntouren und mit 55 Kilometern am Tag durchschnittlich zehn Kilometer weniger als Streckenradler (ADFC Radreiseanalyse 2018). Die Landesregierung sieht den volkswirtschaftlichen Nutzen des Rad- verkehrs außerdem im Bereich der Nahmobilität im Bereich von bis zu 10 km. Durch den weiteren Ausbau des Radnetzes und die Einführung von Radschnellwegen kann sich dieser Bereich auch vergrößern.

Positiv zu erwähnen sind darüber hinaus eine für die Lebensqualität relevante Reduzierung von Lärm und Luftschadstoffen, ein gesundheitliches „Plus“ für die Radfahrenden selbst, die im Vergleich zum Autoverkehr niedrigeren Herstellungskosten für die Infrastruktur und der insgesamt geringere Raumbedarf für Abstellanlagen und die Infrastruktur.


In Vertretung:
Daniela Schmitt
Staatssekretärin

 

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