Mündliche Anfrage

der Abgeordneten Andreas Hartenfels, Jutta Blatzheim-Roegler und Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Folgen der Trockenperiode und Rekordtemperaturen in Rheinland-Pfalz
Nummer 5 der Drucksache 17/7050


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
1. Welche abschließende Beurteilung trifft die Landesregierung zu den Auswirkungen auf die rheinland- pfälzischen Gewässer durch die hohen Temperaturen und geringen Niederschläge in den vergangenen Wochen?
2. Welche Maßnahmen zum Schutz vor Waldbränden wurden vom Land und von den Kommunen ergriffen?
3. Welchen Einfluss hat die Bodenversiegelung auf die Temperatur in den rheinland-pfälzischen Städten?
4. Inwieweit teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass es sich bei diesen immer häufiger auftretenden Extremwetterereignissen um Folgen des menschengemachten Klimawandels handelt?

Für die Landesregierung antwortet Frau Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten:
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Anfrage. Tatsächlich hatten wir in den Jahren 2003 und 2006 schon sehr hohe Temperaturen im Rhein, über 29 Grad C. Das hat sich im Jahr 2018 wiederholt. Es sind ähnlich hohe Temperaturen, wobei diese früher eingesetzt haben als beispielsweise im Jahr 2003.

Was uns schon Sorgen macht, ist, dass die hohe Tempera- turentwicklung erreicht wurde, obwohl zwischenzeitlich mit den Atomkraftwerken Biblis und Philippsburg 1 große Wärmeeinleiter vom Netz genommen wurden. Wir sehen, die Hitzewelle geht mit Niedrigwasser und mit entsprechender Erwärmung einher.

In Rheinland-Pfalz schafft die Süsswasserqualitätsverordnung die Grundlage für die zuständigen Wasserbehörden, bei den Großeinleitern Nutzungsbeschränkungen vorzunehmen, wenn die Wassertemperatur 28 Grad C über- schreitet. Warum? – Die Gewässerorganismen können die Körpertemperatur nicht regulieren. Sie leiden unter heftigem Stress, weil sie mehr atmen müssen. Das Immunsystem wird angegriffen, und die Anfälligkeit wächst. Da sind Veränderungen im Artenspektrum möglich. Das Wanderverhalten ändert sich.

Die Unternehmen haben ihre Produktion schon angepasst, und sie wurden auch aufgefordert, Revisionsarbeiten, die sowieso nötig sind, vorzuziehen. Hier wurde der Druck genommen. Aber es ist eine wirtschaftliche Herausforderung für die Unternehmen; denn ihnen fehlt das nötige Kühlwas- ser für ihre Produktion.

Der Wassercent hatte positive Auswirkungen, weil er einen Anreiz gesetzt hat, Innovationen vorzunehmen. Das ist passiert. In Rheinland-Pfalz in unserem Rheinabschnitt – in anderen Teilen Deutschlands hat ein Fischsterben stattgefunden – kann man schon sagen, dass die Verringerung der Schadstoffe im Gewässer, beispielsweise im Rhein, deutlich dazu beigetragen hat, dass es nicht zum Fischsterben gekommen ist und der rare Sauerstoff nicht durch die Schadstoffe aufgefressen wurde.

Was wir machen müssen, ist natürlich, die Erwärmung zu stoppen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Energiewende damit zu tun hat; denn die großen Kraftwerke, beispielsweise im Kohlebereich, auch die Atomkraftwerke, brauchen sehr viel Kühlwasser und haben entsprechend negative Auswirkungen auf die Gewässer. Insofern ist ein Vorteil der Energiewende von Wind und Solar, dass sie dezentral ist und die Kühlwassernutzung nicht braucht.

Wir rechnen damit, dass das Jahr 2018 kein Einzelfall bleibt und haben eingeleitet, dass die Flussgebietsgemeinschaften am Rhein die Vorgehens- und Handlungsweisen noch stärker abstimmen werden und Großeinleiter ihre Kühlkonzepte noch einmal auf den Prüfstand stellen.

Zu Frage 2, in der es um die Waldbrände geht:
Natürlich kann man nicht ausschließen, dass auch in Rheinland- Pfalz Waldbrände stattfinden, was wir natürlich nicht hoffen. Viele sind menschengemacht, aber wir können schon sagen, dass unsere laubbaumreichen Mischwälder die Gefahr vermindern können. Anders ist in reinen Kiefernwäldern die Gefahrenlage und das Ausmaß, wie in Skandinavien, Südeuropa oder in den nordostdeutschen Kieferngebieten. Die Gefahrenlage ist bei uns doch geringer; denn die naturnahe Waldwirtschaft ist auch im Hinblick auf die Waldbrandverhütung deutlich vorangekommen.

Auch die Nadelreinbestände werden seit einigen Jahren mit Laubbäumen vorausverjüngt, sodass auch hier das Risiko verringert wurde.

Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Feuerwehren, den Rettungsdiensten und den Forstdienststellen, die sehr gut funktioniert. Die Rettungskarten Rheinland- Pfalz erleichtern die Orientierung im Wald und tragen zu einer schnellen Brandbekämpfung bei. Auch die heutige Mobilfunktechnik ermöglicht eine schnelle Benachrichtigung der Feuerwehr.

Zu Frage 3:
Die Versiegelung von Böden, aber auch die Situation in unseren Städten sind etwas, auf das wir in Zukunft die Aufmerksamkeit sicherlich verstärkt legen müssen. Ein Blick auf die Hitzekarten zeigt das; denn die ganze Versiegelung führt zu einem der vielen Faktoren, die zu einer Erwärmung der Städte führen.

Ich habe in einer Studie aus der Stadt Berlin, die 2006 erschienen ist und in der der heiße Sommer 1994 untersucht worden ist, den Hinweis gefunden, dass sich dort die Sterblichkeit um 64 % erhöht hat. Das besagen übrigens auch die Daten aus Frankreich, das auch solche Hitzewellen erlebt hat. Wir müssen also die Entwicklung im Blick haben.

Straßen, asphaltierte Plätze, Industrie- und Gewerbegebiete mit hohem Versiegelungsgrad führen einfach zu Aufheizungen. Wir können auch auf den Klimafunktionskarten von Mainz und Worms deutlich sehen, dass sich auf ihnen wirklich sehr rote Flecken befinden. Stein, Beton, Stahl und Asphalt haben eben ein höheres Wärmeaufnahmepotenzial und Speicherverhalten und kühlen sich nachts wenig ab. In dem Zusammenhang ist natürlich unsere Bewerbung von Holz als Material gut einzuordnen.

Bei den Klimastationen des Deutschen Wetterdienstes – auch in Mainz-Lerchenberg – haben wir gesehen, dass in der vergangenen Hitzewelle von 28 Tagen lediglich an vier Tagen eine nächtliche Temperatur von unter 17 Grad C erreicht wurde. Wir sehen also diese Entwicklung.

Dazu trägt übrigens auch die fehlende Verdunstung bei. Offene Böden haben Verdunstungsmöglichkeiten und können damit kühlen. Was aus unserem Arbeitsfeld auch dazu beiträgt, sind die Renaturierungsprojekte, die wir beispielsweise in Germersheim, Bad Dürkheim und Landau unterstützen. Auch durch die Uferbepflanzung können sie deutlich zur Abkühlung beitragen. Hier müssen wir weitergehen.

Zu Frage 4, ob das Ganze menschengemacht ist:
Ja, natürlich kann ich das beantworten. Ich würde nicht sagen positiv, sondern: Leider Gottes ist das so. Wir sehen seit den 1960er-Jahren beim CO 2 eine Vervierfachung. Von 2014 bis 2017 hatten wir die vier wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und Messungen im Jahr 1881. Auch mit Blick auf Rheinland-Pfalz sehen wir beim Klimakompetenzzentrum, dass noch nie zwischen April und Juli so warme Temperaturen gemessen wurden wie im Jahr 2018. Diese Daten reihen sich in die internationalen Messungen ein.

Ich habe schon öfter an dieser Stelle gesagt, zu Beginn der Industrialisierung hatten wir einen CO 2-Gehalt von 280 ppm (parts per million). Jetzt, nach 200 Jahren Verbrennungsgeschichte von fossilen Energien, haben wir uns auf über 400 ppm gesteigert. Deswegen haben wir die extremen Wettereignisse und übrigens auch die Hochwasser. Wir können das an unseren Aufzeichungen ablesen.

Es kommt nicht auf das einzelne Ereignis an, sondern auf die Häufung. Der anthropogene Klimawandel bewirkt, dass sich die Arktis deutlich schneller erwärmt als die Äquatorzone. Der Temperaturgradient zwischen den beiden Zonen wird schwächer. Großräumige Zirkulationsmuster und Windbewegungen verändern sich, sie werden langsamer. Die Folge davon ist, Tiefdruckgebiete, bei uns im Sommer das häufig auftretende Tief Mitteleuropa mit Starkregen und warmfeuchter Wetterlage, bleiben länger bestehen und ziehen langsamer weiter. Analog gilt das natürlich auch für die trockenen und heißen Perioden wie in diesem Sommer. Das heißt, wir müssen umsteuern, und wir brauchen eine aktive Klimaschutzpolitik.

 

Hier Drucksache (PDF) herunterladen

zurück