Kleine Anfrage 17/9024

der Abgeordneten Andreas Hartenfels und Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Förderung des naturverträglichen Tourismus in Rheinland-Pfalz
Drucksache 17/9250


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/9024 – vom 24. April 2019 hat folgenden Wortlaut:

Im Rahmen des Projekts „Wildes Schleswig-Holstein – Schlummern unterm Sternenzelt!“ hat es die Landesregierung von Schleswig-Holstein zusammen mit der „Stiftung Naturschutz“ ermöglicht, kostenfrei auf dafür bereitgestellten Plätzen in der Natur zu übernachten. Diese Art des Reisens, z. B. zu Fuß, fördert die Verbundenheit mit der Natur. Ähnliche Konzepte existieren bereits von Landesforsten Rheinland-Pfalz. Das Potenzial des naturverträglichen Tourismus kann in Rheinland-Pfalz mit geringem Aufwandausgeschöpft werden, um die Schönheit der einzelnen Naturregionen und deren Besonderheiten bekannter zu machen. Nicht nur aus Sicht der Umweltbildung, sondern auch aus Sicht der Tourismusförderung ist das Konzept zu befürworten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung Konzeptionen zur Förderung eines naturverträglichen Tourismus in Rheinland-Pfalz, ähnlich des Projekts „Wildes Schleswig-Holstein – Schlummern unterm Sternenzelt!"?
2. Hält die Landesregierung eine ähnliche Konzeption in Rheinland-Pfalz für umsetzbar?
3. Welche Unterstützungsprogramme für den sanften und naturverträglichen Tourismus gibt es seit 2016?
4. Wie wird der Ausbau der sogenannten Trekkingplätze durch Landesforsten Rheinland-Pfalz gefördert bzw. umgesetzt?
5. Inwieweit ist der naturverträgliche Tourismus in der rheinland-pfälzischen Tourismusstrategie (z. B. über die Enquete-Kommission) aufgenommen worden?
6. Wie wurden die Entwicklung, die Pflege und der Ausbau von landes- bzw. bundesweiten Wanderrouten gefördert?
7. Welche Trends wie z. B. das „Waldbaden“ oder „Sternenparks“ bzw. Entwicklungen des Wander- und Radtourismus sind in denletzten Jahren in Rheinland-Pfalz zu beobachten gewesen?


Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 15. Mai 2019 wie folgt beantwortet:

Zu den Fragen 1 und 2:
Natur erleben ist für Gäste, die nach Rheinland-Pfalz kommen, ein starkes Reisemotiv. Der Destination Monitor Deutschland ermittelte 2016, dass sich 64 Prozent der Urlaubsreisenden in Rheinland-Pfalz in der Natur aufhalten (Deutschland: 55 Prozent). Viele davon wandern während ihres Aufenthaltes.

Die Landesregierung steht Konzeptionen zur Förderung eines naturverträglichen Tourismus in Rheinland-Pfalz aufgeschlossen gegenüber. Hierzu können unter anderem Konzeptionen vergleichbar dem Projekt „Wildes Schleswig-Holstein – Schlummern unterm Sternenzelt“ zählen. Grundsätzlich erscheinen ähnliche Projekte auch in Rheinland-Pfalz umsetzbar oder sind bereits realisiert (siehe Antwort zu Frage 4), eine konkrete Bewertung ist auf Basis der vorliegenden Informationen derzeit nicht möglich.

Zu Frage 3:
In Rheinland-Pfalz gibt es eine Reihe von Fördermöglichkeiten, mit denen auch der sanfte und naturverträgliche Tourismus unterstützt werden kann. Beispielsweise haben im Rahmen der Förderung der Entwicklung der ländlichen Räume alle 20 rheinland-pfälzischen Lokalen Aktionsgruppen (LAG) in ihren Lokalen Integrierten Ländlichen Entwicklungsstrategien für den LEA-DER-Ansatz des ELER-Entwicklungsprogramms EULLE (EU-Förderperiode 2014 bis 2020) die Förderung eines nachhaltigen ländlichen Tourismus vorgesehen. Dies kann grundsätzlich sowohl die Förderung privater als auch öffentlicher Vorhaben im Tourismus beinhalten. Außerdem unterstützen die Naturparke, die Naturschutzbehörden und Landesforsten den naturverträglichenTourismus bei der Entwicklung von Vorhaben in vielen Fällen als Kooperationspartner der Projektträger oder im Behördenverfahren, insbesondere bei der Projektierung und Ausweisung sowie Beschilderung von Wanderwegen bzw. Prädikatswanderwegen.

Darüber hinaus wurden inzwischen weit mehr als 250 zertifizierte Natur- und Landschaftsführende unter Beteiligung von Landesforsten ausgebildet.

Zu Frage 4:

Ein besonderes Naturerleben bieten „Trekkingplätze“ als Übernachtungsmöglichkeit unter freiem Himmel mit geringst möglichem Eingriff oder Störung der Arten und Lebensräume.

Die Einrichtung der Trekkingplätze im Pfälzerwald geht auf eine Initiative von Landesforsten zurück, die Umsetzung erfolgte in Verantwortung des Vereins Südliche Weinstraße e. V. Durch enge Zusammenarbeit in Genehmigungsverfahren und durch fachliche Beratung bei der Auswahl und Unterhaltung der Plätze unterstützt Landesforsten den weiteren Ausbau dieses bereits ausgezeichneten Angebotes zum naturverträglichen Tourismus im Biosphärenreservat.

Auch das Trekkingangebot im Naturpark Soonwald-Nahe wird von Landesforsten unterstützt, drei Trekkingcamps befinden sichauf landeseigenen Waldflächen und werden personell von Landesforsten betreut. Im Verbund zu diesem Angebot sind im Nationalpark Hunsrück-Hochwald drei weitere Trekkingplätze beabsichtigt.

Möglichkeiten für weitere Trekkingplätze bestehen auch in den anderen rheinland-pfälzischen Naturparken. Diese bieten zunehmend online buchbare Trekkingplattformen an ausgewählten Standorten abseits zivilisationsbeeinflusster Infrastruktur an (z. B. www.eifel.info/natur/trekkingplaetze). Für die Einrichtung solcher Trekkingplätze können die Naturparkträger entsprechende Mittel im Rahmen der vom Land gebilligten Handlungsprogramme einsetzen.

Zu Frage 5:


Der naturverträgliche Tourismus ist über das Ziel „Nachhaltigkeit“ Teil der Tourismusstrategie Rheinland-Pfalz 2025. Demnach soll touristisches Handeln ausgewogen sein und im Einklang mit wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten stehen. Im Geschäftsfeld „Naturgenuss“ sieht die Tourismusstrategie Rheinland-Pfalz 2025 unter anderem vor, Natur- und Landschaft als Raum für Tourismus und Freizeitqualität mit Outdooraktivitäten wie Wandern und Radfahren erlebbar zu machen und mit Genusserlebnissen wertschöpfungsorientiert zu kombinieren. Auch die Enquete-Kommission „Wirtschafts- und Standortfaktor Tourismus in Rheinland-Pfalz“ hat ein Anhörverfahren zum Thema „Naturerlebnisse und Nachhaltigkeit“ durchgeführt sowie den Nationalpark Hunsrück-Hochwald besucht. Die entsprechenden Dokumente zu den Sitzungen sind veröffentlicht.

Zu Frage 6:
Das Land Rheinland-Pfalz unterstützte die Ausweisung von Prädikatsfernwanderwegen bis 2015 mit einem einheitlichen Fördersatz von 70 Prozent der förderfähigen Ausgaben. Prädikatisierte Kurztouren wurden ebenfalls teilweise mit Förderung des Landesumgesetzt. Seit 2016 gilt für alle touristischen Infrastrukturförderungen ein höherer Fördersatz zwischen 75 und 85 Prozent der förderfähigen Ausgaben. Eine Förderung der laufenden Kosten (z. B. Pflege) ist nicht möglich. Die Sicherung der Nachhaltigkeit der Wege durch den Zuschussempfänger wird jedoch im Antragsverfahren überprüft.

Aus Mitteln der touristischen Infrastrukturförderung hat das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (MWVLW) von 2007 bis heute Prädikatswanderwege mit Gesamtausgaben in Höhe von 7,62 Mio. Euro durch Zuschüsse von insgesamt 5,28 Mio. Euro gefördert. Im Zeitraum von 2007 bis 2013 wurden hierfür EU-Mittel und Mittel des Landesfinanzausgleichs (LFAG) bereitgestellt. Ab dem Jahr 2014 wurden lediglich LFAG-Mittel gewährt. EU-Mittel aus dem EFRE werden in der laufenden Förderperiode 2014 bis 2020 ausschließlich für barrierefreie Wanderwegeinfrastruktur eingesetzt. Im Rahmen des LEADER-Ansatzes des ELER-Entwicklungsprogramms EULLE wurden in der laufenden Förderperiode bisher 3,34 Mio. Euro in den Ausbau und die Entwicklung der Wanderwegestruktur investiert. Diese Ausgaben wurden bei Fördersätzen zwischen 50 und 75 Prozent mit Zuschüssen, primär aus ELER-Mitteln in Höhe von 2,14 Mio. Euro, gefördert.

Darüber hinaus sind zahlreiche Wege ohne Förderung des Landes entstanden, da sich das Thema „Wandern“ über die Jahre bei den regionalen und lokalen Akteuren etabliert hat.

Zu Frage 7:
Die in Frage 7 genannten Trends sind auch in Rheinland-Pfalz zu beobachten.

Waldbaden

Seit einigen Jahren ist in ganz Deutschland ein weiter zunehmendes Interesse an gesundheitstouristischen, präventiven oder therapeutischen Waldaufenthalten zu beobachten, das Thema „Wald und Gesundheit“ entwickelt sich zu einem anhaltenden Trend. Ein Beleg hierfür ist z. B. der erste Kur- und Heilwald Europas, der 2017 im Ostseebad Heringsdorf ausgewiesen wurde und der deutschlandweit Beachtung und erste Nachahmer findet.

Auch in Rheinland-Pfalz ist diese Entwicklung angekommen, erste Kur- und Heilwaldprojekte sind in Planung und werden vonseiten des MUEEF und Landesforsten unterstützt.

Als „Waldbaden“ werden von unterschiedlichen privaten und freiberuflichen Akteuren i. d. R. bewusste, achtsame und entspannende Waldaufenthalte als Kurzzeitprogramme angeboten. Dieser Trend wird von Landesforsten unbürokratisch unterstützt. Im Forstamt Boppard existiert ein mit Landesforsten und dem örtlichen Tourismus abgestimmtes, buchbares Angebot, das im Sommer an jedem 1. und 3. Samstag von einem zertifizierten Kursleiter Waldbaden durchgeführt wird. Die Termine werden auch im Veranstaltungskalender auf der Landesforsten-Homepage unter www.treffpunktwald.de beworben.

Auch das Haus der Nachhaltigkeit führt in diesem Jahr zwei einschlägige Angebote zum „Waldbaden“ im Veranstaltungsprogramm.

Sternenparks

Die Ausweisung von zertifizierten Sternenparks erfolgt anhand der Kriterien der international agierenden Dark-Sky Association(IDA). In Deutschland besitzen nur wenige Regionen aufgrund ihrer dünnen Besiedelung und geringen Lichtemissionen ein diesbezügliches Potenzial. Hierzu zählt der Pfälzerwald mit dem größten, zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands. Der Träger des Biosphärenreservates führt dort nach umfangreichen Vorarbeiten und Studien der TU Kaiserslautern seit 1. August 2018 ein auf drei Jahre angelegtes Projekt Sternenpark durch. Landesforsten begleitet das Vorhaben als Partner im Projektteam.

Eine weitere Aktivität mit Bezug zum naturverträglichen Tourismus ist die aktuell laufende technische Ertüchtigung der Fernsicht-Messstationauf dem Kalmit-Turm. Das Projekt ist für einen naturverträglichen Tourismus relevant und im ganzen Bundesgebiet nach wie voreinzigartig.

Wandertourismus

Im Bereich Wandertourismus besteht der mit Abstand größte Markt der Urlaubswanderungen aus Tagestouren mit einer durchschnittlichen Weglänge von 9,5 km. Dabei wollen 87 Prozent der Tageswanderer Rundwege, die an einem Wanderparkplatz starten.

Rund 50 Prozent der Wanderer bevorzugen das Mittelgebirge als Wanderlandschaft. Diesem Trend folgend wurde in den letzten Jahren ein Netz an Prädikatskurztouren ausgewiesen. Einen Überblick über diese Wanderwege bietet die Minifaltkarte der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH (RPT), die bestellt werden kann unter: https://www.gastlandschaften.de/urlaubsthemen/wandern/wandertourenplaner-wander-app/minifaltkarte/.

Zu beobachten ist, dass Kommunen sich nicht auf die Ausweisung neuer Wege beschränken, sondern immer mehr Bewusstsein dafü rentwickeln, dass auf Dauer ein touristisch interessantes, hochwertiges Wanderangebot nur bereitgestellt werden kann, wenn die Wegenetze im Sinne einer langfristigen Qualitätssicherung insgesamt neu geordnet und gestrafft werden.

Radtourismus

Für den Radtourismus haben in Rheinland-Pfalz, neben den klassischen Tourenwegen, Mountainbike-Parks und Trails in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. So wurde zum Beispiel der Ausbau und die Erweiterung des Mountainbikeparks Pfälzerwald gefördert, der von der Deutschen Initiative Mountainbike als bestes Mountainbikerevier Deutschlands bezeichnet wird. Hinzukommt der rasant wachsende eBike-Markt, der sich ebenso auf die touristische Nachfrage und die Anforderungen an das touristische Angebot auswirkt. Die Entwicklung wird durch die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH, das Land und die Tourismusregionen aufgegriffen, zum Beispiel in der neuen Veranstaltung „eBike am Ring“, die erstmals 2018 von den Organisatoren der am Nürburgring etablierten Radsportveranstaltung „Rad am Ring“ gemeinsam mit der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH eingeführt wurde.

Sowohl für den Wander- als auch den Radtourismus kann in den rheinland-pfälzischen Tourismusregionen die Entwicklung und wachsendes Bewusstsein beobachtet werden, nicht nur ein hochwertiges Wegeangebot durch attraktive Landschaften bereitzustellen, sondern dieses an der Wertschöpfung orientiert durch Erlebnispakete oder Story Telling zu profilieren und weiterzuentwickeln.


Dr. Volker Wissing
Staatsminister

 

Hier Drucksache (PDF) herunterladen



zurück