Kleine Anfrage 17/9606

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Betrieb von Biogasanlagen
Drucksache 17/9692


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/9606 – vom 15. Juli 2019 hat folgenden Wortlaut:

Biogasanlagen stellen einen wichtigen Pfeiler der Energiewende dar.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wie viele Biogasanlagen mit welcher Kapazität zur Strom- und Wärmegewinnung werden in Rheinland-Pfalz betrieben (bitte mit Aufschlüsselung nach Landkreisen und Entwicklung über die letzten Jahre)?
2. Mit welchen Stoffen werden die Biogasanlagen betrieben (bitte mit prozentualer Aufschlüsselung und jeweils verwendeter Menge in Tonnen)?
3. Wie viele Hektar werden in Rheinland-Pfalz für die Produktion von Energiepflanzen genutzt?
4. Wie bewertet die Landesregierung die Auflagen hinsichtlich ökologischer Folgen beim Anbau von Energiepflanzen, die für die Energie- und Wärmeerzeugung bestimmt sind?
5. Welche gesetzlichen, technischen und investiven Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung nötig, um den Umbau auf denbedarfsgesteuerten, flexiblen Betrieb von Biogasanlagen in Deutschland zu beschleunigen?
6. Welche Unterstützung stellt das Land Rheinland-Pfalz im Zusammenhang mit dem Betrieb von Biogasanlagen zur Verfügung (bitte mit Aufschlüsselung nach den verausgabten Fördermitteln)?


Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. Juli 2019 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung: Für das Gelingen der Energiewende im Stromsektor sind die Bioenergie und insbesondere Biogasanlagen, die im Jahr 2017 mit 63,2 Prozent-Anteil zur Stromerzeugung aus Biomasse beitrugen, als Flexibilitätsoption zum Ausgleich der fluktuierenden Wind-und Sonnenenergie und Regelenergielieferant notwendig. Im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele bzw. die notwendige Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Landwirtschaft ist die gasdichte Vergärung von Wirtschaftsdüngern wie Gülle und Mist in Biogasanlagen unverzichtbar, zumal die organische Düngung mit Gärresten gleichzeitig Vorteile für den Grundwasserschutz bietet.Auchsind die im Hinblick auf die Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung strittigen Substrate wie Energiemais ohnehin rück-läufig. Zudem haben Biogasanlagen mittel- und langfristig im Verkehrssektor gerade als erneuerbare Dekarbonisierungs-Möglich-keit für den Schwerlastverkehr entscheidende Bedeutung. Es gilt daher durch geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen den Anlagenbestand zu erhalten, dessen Umrüstung auf eine flexible, netzdienliche Fahrweise und die Anbindung der Biogasanlagen mit Anschlussoption ans Gasnetz an den Wärme- und Verkehrssektor anzureizen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1:
Aus nachfolgender Tabelle ergibt sich die Anzahl der Biogasanlagen (BGA) mit deren installierter Leistung auf Grundlage der vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Eifel in den Jahren 2012, 2014 und 2017 durchgeführten Biogaserhebungen mit Datengrundlagen aus den Jahren 2011 bis 2016. Seit der Erhebung 2017 ist von einer nur unwesentlich veränderten Anlagenanzahlauszugehen. Im Zuge der Flexibilisierung der Biogasanlagen vergrößert sich aktuell zwar deren installierte Leistung, die Bemessungsleistung (eingespeiste bzw. vergütete Leistung) bleibt aber aufgrund der Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf gleichem Niveau. Zukünftig ist aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen von einem stagnierenden, eher rückläufigen Anlagenbestand auszugehen.

1) Datenerhebung aus den Jahren 2011 bis 2016
2) Die Abweichungen bei der BGA-Anzahl zwischen den Erhebungsjahren sind u. a. auch methodisch (Betreiberangaben; Änderung hinsichtlichder Erfassung der Satelliten- und stillgelegten Anlagen) bedingt.

Zu den Fragen 2 und 3:
Die nachfolgende Abbildung 1 (Quelle: Biogaserhebung DLR Eifel 2017) veranschaulicht die in Biogasanlagen aus Anbau eingesetzten Stoffe bzw. Substrate. Hauptkulturfür die Substrate in Biogasanlagen ist weiterhin der Mais mit 62 Prozent der Ackerkulturen. Es folgen im weiten Abstand Getreide-Ganzpflanzensilage (GPS) mit 22 Prozent und Feld-/Kleegras mit 8 Prozent. Gleichwohl Mais die wichtigste Kultur war bzw. ist, sind im Erhebungszeitraum bzw. bis 2016 die zugehörigen Anbauflächen um 4 Prozent zurückgegangen.

Die Anbauflächen für die Substrate der Biogasanlagen bewegen sich in etwa in einer Größenordnung von circa 4 bis 5 Prozentaller landwirtschaftlichen Nutzflächen in Rheinland-Pfalz. Aus den für die Erhebungsjahre 2011, 2013 und 2016 vorliegenden, vom DLR Eifel auf Plausibilität geprüften Daten der Betreiber ergibt sich für die Substratgewinnung in den landwirtschaftlichen Biogasanlagen in Rheinland-Pfalz eine bewirtschaftete Fläche von 29 000 bis 35 000 Hektar. Diese Flächen und insbesondere die daraus resultierenden Substratmengen in Tonnen je Anlage schwanken je nach Fruchtfolgen, Witterung, Substratzukäufen und Entscheidungen der Anlagenbetreiber sehr stark und stellen lediglich einen Orientierungswert für die aktuelle und künftige, tendenziell rückläufige Flächenkulisse für Biogasanlagen in Rheinland-Pfalz dar.

Innerhalb dieser Flächenkulisse werden die Flächenanteile für den „Energiemais- und Energiegetreide-Anbau“ bereits seit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012 durch entsprechende Begrenzungen der Substratanteile für Biogasanlagen (Maisdeckel) reduziert, um ökologisch vorteilhafte Substrate zu mobilisieren. In den Jahren 2017 und 2018 konnten nur Biogasanlagen mit maximal 50 Masseprozent-Anteil Mais bzw. Getreidekorn im Substrat in Ausschreibungen einen Zuschlag erhalten. In den Jahren 2019 und 2020 reduziert sich dieser Substratanteil für Mais weiter auf 47 Masseprozent und wird bis 2022 auf maximal 44 Masseprozent begrenzt.

Neben den Anbausubstraten werden in rheinland-pfälzischen BGA mit einem geschätzten Anteil von rund 30 Prozent Wirtschaftsdünger eingesetzt, da der Großteil der Anlagen für den Gülle-Bonus nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz einen 30 Masseprozent-Anteil nachweisen muss und für Gülle-Kleinanlagen ein Anteil von 80 Masseprozent-Gülle vorgegeben ist. Die Abbildung zeigt die Entwicklung des gesamten, von 2009 bis 2016 tendenziell zunehmenden Wirtschaftsdüngereinsatzes in BGA in Rheinland-Pfalz (Gülle in Kubikmeter m³; Mist in Tonnen t).

Zur Frage 4:
Für Energiepflanzen gelten dieselben Auflagen in Hinsicht auf die Einhaltung der guten landwirtschaftlichen Praxis inklusive der Vorgaben des Boden-, Trinkwasser-, Natur- und Landschaftsschutzes wie für den Anbau derselben bzw. anderer Kulturen mit dem Ziel der Nutzung als Nahrungs- und Futtermittelpflanzen. Insofern finden auch beim Anbau von Energiepflanzen die Belange desRessourcen- und Umweltschutzes Berücksichtigung.

Zur Frage 5:
Auf gesetzlicher Ebene muss vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dringend und grundlegend insbesondere auch hinsichtlich der Bioenergieförderung korrigiert werden. Die Landesregierung hat daher in der Umweltministerkonferenz im Mai eine umfassende Beschlussfassung zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Energiewende auch für die Bioenergieregelungen im EEG und eine aktuelle Bundesratsinitiative in Form eines Entschließungsantrages zur Stärkung der Stromerzeugung und Wärmenutzungaus Biomasse initiiert. Im EEG ist unter anderem die Festlegung eines Stabilisierungspfades für die Bioenergie über das Jahr 2022 hinaus, die Streichung von Flexibilisierungs-Hemmnissen sowie eine Überarbeitung des Ausschreibungsdesigns notwendig. Parallel gilt es, die Vergütungsbedingungen insgesamt und vor allem zu der für den Klimaschutz relevanten Vergärung von Wirtschaftsdüngern (Gülle und Mist) in allen Anlagensegmenten zu optimieren und die Rahmenbedingungen zur gleichwertigen Behandlungvon Gärresten und Gülle anzupassen.

Damit Biogasanlagen aktuell und künftig flexibel und netzdienlich Strom sowie Wärme liefern können, muss auf technischer Ebene deren installierte Leistung im Regelfall mindestens verdoppelt werden. Das erfordert erhebliche Investitionen von den Betreibern in neue Blockheizkraftwerke sowie in Gas- und Wärmespeicher in der Größenordnung eines Neuanlagenbaus. Angesichts der Unsicherheit und Investitionszurückhaltung in der Branche gilt es daher, mit Post-EEG-Konzepten mittel- und langfristige wirtschaftliche Perspektiven für Biogasanlagen aufzuzeigen. Beispielsweise kann die gasdichte Vergärung von Gülle in Biogasanlagen den CO2-Fußabdruck der Tierhaltung reduzieren. Über die Agrarinvestitionsförderung könnte diese Klimaschutzleistung außerhalb des EEG honoriert werden.

Flankierend sind für die Zukunftsoption von Biogasanlagen im Wärme- und Kraftstoffmarkt entsprechende Anreize in einschlägigen Vorschriften für den Gasmarkt nötig. Denkbar sind hier z. B. eine Optimierung bestehender Biomethanregelungen, eine Förderung der Biomethanaufbereitung oder ambitionierte Unterquoten für fortschrittliche Biokraftstoffe bei Umsetzung der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (REDII).

Zur Frage 6:
Die Förderung der Stromerzeugung in Biogasanlagen erfolgt nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz mit Bundesfördermitteln, eine zusätzliche Landesförderung diesbezüglich ist daher ausgeschlossen.

Das Land Rheinland-Pfalz unterstützt die Betreiber von Biogasanlagen im Rahmen des EFRE-Projektes „Zukunftsperspektive Unternehmen – Profitieren durch Energieeffizienz und Erneuerbare Energien“. In diesem Rahmen zeigt die Energieagentur Rheinland-Pfalz unter dem Projektbaustein „Zukunftscheck Biogasanlagen“ den Anlagenbetreibern Wege für den kostenoptimierten Betrieb ihrer Biogasanlage auf. Dies umfasst z. B. Vorschläge und Konzepte zur Flexibilisierung der Anlagen und bedarfsgerechten Stromerzeugung. Für den „Zukunftscheck Biogasanlagen“ sind für den Zeitraum 2017 bis 2019 Fördermittel in einer Größenordnung von 211 756 Euro bereitgestellt.

 

Ulrike Höfken
Staatsministerin

 

Hier Drucksache (PDF) herunterladen



zurück