Kleine Anfrage 17/9880

der Abgeordneten Andreas Hartenfels und Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Gewässerschonende Landwirtschaft – Programmteil Gewässerrandstreifen
Drucksache 17/10098


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/9880 – vom 28. August 2019 hat folgenden Wortlaut:

Bei Untersuchungen von Flüssen und Bächen, aber auch von Grundwasserkörpern werden immer wieder verschiedene Pestizidein erhöhter Konzentration (>0,1 μg/l) festgestellt. Weiterhin ist auch der Eintrag von Nährstoffen wie Phosphor Grund für eine schlechte Gewässer qualität. Dabei spielt die Bodenabtragung durch Niederschläge eine besondere Rolle. Im Rahmen der Klimaerhitzung ist mit zunehmend intensiveren Niederschlägen und somit mit zunehmenden Bodenabtragungen zu rechnen. Durchdie Anlage von breiten Gewässerrandstreifen können diese Abtragungen zum Teil aufgefangen und somit die Einträge von schädlichen Pestiziden und überhöhten Mengen von Nährstoffen in die Gewässer verringert werden. Gewässerrandstreifen sind außerdem wichtige Elemente bei der Biotopvernetzung. Nach Berechnun gen des Umweltministeriums und der Wasserschutzberatungsollten an ca. 9 Prozent der rheinland-pfälzischen Gewässer solche Gewässerrandsteifen zur Vermeidung von Einträgen aus der Landwirtschaft angelegt werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Welche Gewässerkörper befinden sich in Rheinland-Pfalz aktuell in einem schlechten chemischen bzw. ökologischen Zustand (bitte nach Gewässer 2., 3. Ordnung trennen)?
2. Welche Gewässer könnten durch die Anlage von Gewässerrandstreifen zur Verringerung von Einträgen aus der Landwirtschaftpotenziell aufgewertet werden?
3. Welchen Beitrag kann das Anlegen von Gewässerrandstreifen zur Erfüllung der Ziel setzung (alle Gewässer in einen guten Zustandzu versetzen) der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie leisten?
4. Welche Förderprogramme werden für das Anlegen von Gewässerrandstreifen von der Landesregierung jeweils in welchem Umfang bereitgestellt?
5. Welche anderen Möglichkeiten bestehen im Rahmen der landwirtschaftlichen Flächennutzung, diffuse Nährstoffeinträge in dieGewässer zu reduzieren?
6. Wie viele Hektar Fläche wurden mit Förderung des Landes in den letzten zehn Jahren von den Gewässerunterhaltungspflichtigen zur Anlage von Gewässerrandstreifen, -entwicklungskorridoren bzw. -renaturierungen erworben, und welche Fördersumme wurde verausgabt?
7. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, das Anlegen von Gewässerrandstreifen zum Schutz der Gewässer zu forcieren?


Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forstenhat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 19. September 2019 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Wasserkörper sind als Teileinzugsgebiete definiert, die Gewässer unterschiedlicher Ordnung enthalten können. Daher ist eine Differenzierung der Wasserkörper nach Gewässerordnung nicht möglich. Eine größendifferenzierte Einteilung der Wasserkörperin Bach- und Flusstypen ist jedoch auf der Grundlage der Wasserkörpertypeneinordnung der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) möglich und wird nachfolgend vorgenommen.

In Rheinland-Pfalz befinden sich alle Oberflächenwasserkörper (360) in einem schlechten chemischen Zustand („nicht gut“). Dies liegt an der Überschreitung der Grenzwerte für Quecksilber bei den Schadstoffmessungen in Biota und wird bundesweit einheitlichso dargestellt. Die Quecksilberbelastung in den Gewässern ist überall (ubiquitär) auf Einträge aus der Luft zurückzuführen. Um die Auswirkung des Parameters „Quecksilber“ auszublenden, wird der chemische Zustand in einer zweiten Auswertung ohne Queck-silber dargestellt (Chemischer Zustand ohne Hg in Biota).

Danach befinden sich in Rheinland-Pfalz

– 31 Oberflächenwasserkörper,
– 11 Bachwasserkörper und
– 20 Flusswasserkörper

in einem schlechten chemischen Zustand.

In Rheinland-Pfalz haben 30,1 Prozent der Fließgewässer einen sehr guten oder guten ökologischen Zustand erreicht. Bezüglich des ökologischen Zustands besteht für 244 Wasserköper (174 Bach- und 70 Flusswasserkörper) Handlungsbedarf. Diese haben die Umweltziele verfehlt (Bewertung „mäßig“, „unbefriedigend“ oder „schlecht“).

Zu Frage 2:
In einem mehrstufigen Verfahren, in dem Immissionsdaten und GIS-Informationen verschnitten wurden, konnten landesweit Sondierungsstrecken an Gewässern für potenzielle Randstreifen identifiziert werden. Unter Berücksichtigung von Vor-Ort-Kenntnissen und Luftbildauswertungen wurden diese plausibilisiert. Im Ergebnis bestehen für 9 Prozent der Gewässerstrecken in Rheinland-Pfalz (1 531 km Fließlänge) Potenziale für Randstreifen. Die Strecken verteilen sich auf 219 der 360 Fließgewässer-Wasserkörper in Rheinland-Pfalz. Diese beinhalten ca. 1 165 Gewässerstrecken.

Zu Frage 3:
Das Anlegen von Gewässerrandstreifen kann neben positiven Effekten für die Biodiversität folgende Beiträge zur Entwicklung eines guten Gewässerzustands leisten:

– Schutz vor unmittelbaren Sediment- und Stoffeinträgen, Filterung von Stoffeinträgen bei Bodenpassage.
– Entwicklung von Ufergehölzen, dadurch:

– Entwicklung von Habitatstrukturen an den Ufern durch Wurzelwerk, Unterstände, Strömungslenkung.
– Beschattung und damit Schutz kleiner bis mittlerer Gewässer und ihrer Fischfauna vor übermäßiger Erwärmung bei sommer-lichen Hitzeperioden. Dieser Aspekt gewinnt durch den Klimawandel zunehmend an Bedeutung und ist Gegenstand einesaktuellen Projekts des Landesamts für Umwelt im Rahmen der Kooperation „Klimaveränderung und Konsequenzen für dieWasserwirtschaft“ (KLIWA).
– Laubeintrag als typisches Habitat- und Nahrungsangebot für die Biozönose, Artenvielfalt, Artenschutz, Biotopvernetzung.
– Totholzeintrag als typisches Habitat- und Nahrungsangebot für die Biozönose, Artenvielfalt, Artenschutz, Biotopvernetzung.

Zu Frage 4:
Im Rahmen des rheinland-pfälzischen Entwicklungsprogramms „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EULLE) wird die Anlage von Gewässerrandstreifen gefördert. 2018 wurden 56 ha in diesem Programmteil gefördert.

Die jährliche Prämie beträgt 760 Euro/ha.Die „Aktion Blau Plus“ fördert die Gewässerunterhaltungspflichtigen beim Erwerb und der Entwicklung von Gewässerrandstreifen und Gewässerentwicklungskorridoren. Für Grunderwerb und Renaturierung wurden im Zeitraum 1995 bis 2018 Förderungen über ca. 207 Mio. Euro vorgenommen.

Zu Frage 5:
Nährstoffeinträge in Oberflächengewässer erfolgen entweder von der Oberfläche durch Bodenerosion (Wasser-, Winderosion) und Abschwemmung oder durch unterirdischen, oberflächennahen Wasserabfluss (Drainagen, Zwischenabfluss bzw. Interflow). Folgende Maßnahmen sind geeignet, diffuse Nährstoffeinträge in Oberflächengewässer zu reduzieren:

– Erhaltung bzw. Förderung der standortspezifischen physikalischen, chemischen und biologischen Bodenparameter (Boden-gefüge, Bodenreaktion, Humusgehalt und Bodenorganismen).
– Standortangepasste Bearbeitung (v. a. Vermeidung von Bodenverdichtungen, Pflug- und Frässohlen, Bearbeitung quer zur Hangneigung, Terrassierung).
– Bodenbedeckung.
– Begrünung in Dauerkulturen (Wein-, Obstbau).
– Begrünung von Erosionsrinnen (z. B. Puffer-, Blühstreifen, Feldgehölze, Kurzumtriebsplantagen).
– Zwischenfruchtanbau einschließlich Untersaaten (Acker-, Gemüsebau).
– Erhaltung und Anlage von Strukturelementen (v. a. Hecken, Raine).
– Kulturartenwahl (z. B. Etablierung bzw. Erhalt von Grünland, Ersatz von Silomais durch Klee-, Feldgras).
– Einsatz von Applikationstechnik zur Einarbeitung von Düngemitteln (z. B. Injektions-, Schlitz- oder Strip-Till-Verfahren).
– Bedarfsgerechte, sparsame Bewässerung.
– Im Rahmen des Projekts „Hochwasservorsorge durch Flussgebietsentwicklung“ werden mit den „Hochwasser Informationspaketen“ für Städte und Verbandsgemeinden sowie für Bodenordnungsverfahren auf der Basis spezifischer Gewässer- und Landschaftsanalysen verortete Informationen zur Vermeidung und Verringerung von Erosion und diffusen Stoffeinträgen in Themenkarten mit ortsspezifischem Bericht bereitgestellt. In einer der Karten werden Maßnahmen in der Fläche, örtliche Schwerpunktbereiche und entsprechende Maßnahmentypen dargestellt. Diese Informationspakete sind auch Informationsgrundlage für die kommunalen Hochwasservorsorgekonzepte. Aktuell stehen rund 160 Informationspakete für die Städte und Verbandsgemeinden zur Verfügung (85 Prozent). Bis Ende 2020 sollen landesweit alle Informationspakete fertiggestellt werden.

Zu Frage 6:
Seit 2010 wurde von kommunalen Zuwendungsempfängern bis heute eine Gesamtfläche von ca. 695 ha erworben. Die gesamte Fördersumme für den Flächenerwerb betrug ca. 14 Mio. Euro.

Zu Frage 7:
Die Landesregierung unterstützt durch das Programm „Gewässerschonende Landwirtschaft“ und eine entsprechende Wasserschutz-beratung sowie die „Aktion Blau Plus“ die weitere Anlegung von Gewässerrandstreifen.

Die Landesregierung sieht darüber hinaus Möglichkeiten durch das vorgesehene Insektenschutzprogramm des Bundes. Der Bundhat vor, zur Verbesserung des Insektenschutzes an Gewässern mit einer Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) die bestehende Regelung zu Gewässerrandstreifen (§ 38 WHG) zu ändern.


Ulrike Höfken
Staatsministerin


Hier Drucksache (PDF) herunterladen



zurück