Kleine Anfrage 17/10639

der Abgeordneten Andreas Hartenfels und Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nationalpark Hunsrück-Hochwald – Tourismus und Umweltbildung vereint
Drucksache 17/10859


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/10639 – vom 21. November 2019 hat folgenden Wortlaut:

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald hat trotz seines kurzen Bestehens bereits viele Menschen in die Region Hunsrück-Hochwald gelockt. Das ausgeklügelte Wegesystem, die einzigartigen „Hangbrücher“ sowie die geführten Rangertouren sind ein touristisches Highlight in Rheinland-Pfalz.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wie viele geführte Touren (Zertifizierte Naturführer und Rangertouren) wurden seit der Gründung im Jahr 2015 bereits durchgeführt? 
2. Wie viele Menschen nahmen an den geführten Touren insgesamt seit der Gründung teil bzw. wie viele Menschen nahmen durchschnittlich an diesen Touren teil? 
3. Welche Möglichkeiten bestehen für Menschen mit Behinderungen, an den Touren bzw. dem Naturerlebnis teilzunehmen? 
4. Welche Möglichkeiten zur Umweltbildung können darüber hinaus z. B. von Schulklassen und Besuchergruppen in der Nationalparkregion genutzt werden? 
5. Welche Themenschwerpunkte werden den Besucherinnen und Besuchern auf den Touren vermittelt? 
6. Wie bewertet die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Fortentwicklung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald? 
7. Welche Weiterentwicklungen sind in den kommenden Jahren im Nationalpark geplant?


Das Ministeriumfür Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 wie folgt beantwortet:

Zu den Fragen 1 und 2:
Seit der Gründung 2015 werden Angebote für Besucher des Nationalparks von den Rangern sowie den Zertifizierten Nationalparkführinnen und -führern durchgeführt. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Fachveranstaltungen, wie die monatliche Nationalpark-Akademie, Angebote für Kitas und Schulklassen, das Junior-Ranger-Programm und weitere Einzelveranstaltungen, bspw. Ferienfreizeiten. Es haben sich hierzu im Kreise der jeweiligen Akteure Netzwerkstrukturen im Bereich des Tourismus, der Barrierefreiheit, der Elementar- und Schulpädagogik und der Nationalen Naturlandschaften gebildet. Das größte Besucherpotenzial bietet jedoch die Zielgruppe derjenigen, die die Natur für sich erleben wollen. Eine Zielgröße in der Besucherlenkung ist, dass etwa 10 Prozent der Besucher auf geführten Touren teilnehmen sollen.

Mit dem Ausbau von Anlaufstellen wie den Nationalpark-Toren und Rangertreffpunkten, der Entwicklung des Schutzgebietes und den Erwartungen der Gäste werden die Angebote mit jedem Jahresprogramm des Nationalparks weiterentwickelt.

Besucherinnen und Besucher können Ranger unter der Woche auf Kontroll- und Beobachtungstouren mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten begleiten. Auf der Gipfeltour am Erbeskopf, der Inseltour am Thranenweier, der Grenztour am Sauerbrunnen oder der Waldtour in Muhl können Wanderer die Natur besser kennenlernen.

Seit dem Jahr 2019 führen Zertifizierte Nationalparkführerinnen und -führer im Auftrag des Nationalparkamtes am Keltenpark in Otzenhausen und an der Wildenburg bei Kempfeld Erlebnistouren durch. Für Gruppen werden von Zertifizierten Nationalparkführerinnen und -führern geleitete Touren durch den Nationalpark oder auch zu Spezialthemen wie Moore, Rosselhalden oder Kelten angeboten.

Im Zeitraum von 2015 bis 2018 haben über 2 000 geführte Touren stattgefunden. An den geführten Touren haben über 24 000 Besucher teilgenommen. Durchschnittlich haben knapp zwölf Personen an den geführten Touren teilgenommen. Bei den Angeboten der Zertifizierten Nationalparkführerinnen und -führer ist eine grundsätzliche positive Entwicklung zu verzeichnen. Durchschnittlich nehmen 30 Personen je Angebot teil. Bei den Rangerangeboten kann eine kontinuierlich ansteigende Teilnehmeranzahl verzeichnet werden. Durchschnittlich waren es fünf Teilnehmende pro Tour.

Darüber hinaus gibt es Angebote, eigenständig das Gebiet zu erkunden. So verfügt das Nationalparkgebiet über attraktive und gut ausgeschilderte Premiumwanderwege, wie den Saar-Hunsrücksteig und sechs mit ihm verbundene Traumschleifen. Ebenso hat das Nationalparkamt zehn Rad-Querungen ausgewiesen, die in eine Rundroute und damit auch in das überregionale Radwegenetz im Jahr 2020 eingebunden sein werden.

Die Angebote werden abgerundet durch über 50 in der Gastronomie und Beherbergung aktive Partnerbetriebe des Nationalparks. Die Gesamtausrichtung der Leistungen orientiert sich sehr klar an der touristischen Servicekette, die alle Aspekte eines Besuchs im Nationalpark berücksichtigt.

Zu Frage 3:
Die Inseltour vereint Angebote für Menschen mit Behinderung. Die Tour kann von Menschen mit Gehbeeinträchtigung mit Rollstuhl oder Rollatoren besucht werden. Zuggeräte für Rollatoren können kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Ein neu entwickelter Wanderführer in Brailleschrift ermöglicht die Tour für Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Zusätzlich ist die Inseltour für Menschen mit Hör- und kognitiver Beeinträchtigung erlebbar. Für Menschen mit Hörbeeinträchtigung findet einmal monatlich eine weitere Rangertour in Gebärdensprache an der Wildenburg statt („Felsentour“). Zusätzlich stehen jederzeit FM-Anlagen als Hörhilfen zur Ausleihe für Rangertouren zur Verfügung.

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist umgeben vom Naturpark Saar-Hunsrück. Beide Schutzgebiete haben sich gemeinsam erfolgreich als Modellregion „Barrierefreie Naturerlebnisangebote als Impulsgeber für den ländlichen Raum“ beworben. Ziel des Projekts ist es, in der Modellregion die barrierefreien Angebotsstrukturen im Bereich Erholung und Freizeit zu verbessern sowie die Informationen zur Barrierefreiheit qualifiziert zu veröffentlichen.

Zu Frage 4:
Besuchergruppen und Schulklassen können auf standardisierte Angebote vom Nationalparkamt oder individualisierte Angebote durch Dritte zurückgreifen.

Für Schulklassen und Kitas bieten sich sieben modular und der jeweiligen Altersgruppe/Schulklasse entsprechende Angebote. „Mit der Wildkatze Felix den Nationalpark entdecken“ wird sehr spielerisch die Zielgruppe Kita und Grundschule, mit „Wildnis für alle“ die Sekundarstufe I, mit „Willkommen, ihr Forscher von morgen“ die Sekundarstufe II bedient. Mehr dazu findet sich auch im Programmheft des Nationalparks, das jedes Jahr zigtausendfach verteilt wird. Über das Netzwerk „Elementar- und Schulpädagogik“ werden die verschiedenen Angebote durch pädagogische Fachkräfte in Zusammenarbeit mit dem Nationalparkamt stetig weiterentwickelt.

Individuelle, begleitete Angebote im Nationalpark bieten die Zertifizierten Nationalparkführer. Ob englisch, französisch oder Hunsrücker Platt, ob unter der Woche oder am Wochenende, Betriebs- oder Schulausflug: Der hohe Qualitätsstandard der Ausbildung von Zertifizierten Natur- und Landschaftsführern oder Zertifizierten Waldpädagogen, gepaart mit einer Zusatzqualifizierung als Zertifizierter Nationalparkführer, bietet viele Möglichkeiten. Auch die Touristinformationen der Nationalpark-Region sowie die Hunsrück- und Naheland-Touristik helfen bei individuellen Angeboten oder sogar Pauschalen.

Neu seit dem Jahr 2019 sind buchbare, standardisierte Angebote am Wochenende, die durch Nationalparkführer angeboten werden und damit beispielsweise auch von Gruppen gebucht werden können. Dies war notwendig geworden, um die nicht buch-baren Rangertouren abzulösen und besser touristisch vermarkten zu können.

Zu Frage 5:
Die Themenschwerpunkte sind äußerst unterschiedlich. Gemeinsam haben alle Touren, dass das Kernthema „Natur Natur sein lassen“ gespielt wird und immer auch ein Bezug zur „Bildung für nachhaltigen Entwicklung“ vorliegt. Welche Vertiefung, auch aufgrund der Jahreszeiten, der Wetterbedingungen bis hin zur Zielgruppe, sich anbietet, ist dabei sehr individuell. Während auf Rangertouren der Blick über die Schulter eines Rangers in die vielfältigen Tätigkeiten des Nationalparkamts im Vordergrundsteht, ist bei den Angeboten der Zertifizierten Nationalparkführer immer das individuelle Gruppeninteresse entscheidend. So kann sich über eine Suchmaschine auf der Website des Nationalparks den jeweiligen Interessen genähert werden, z. B. mit Blick auf allgemeine Nationalpark- und/oder Naturthemen, kulturhistorische Interessen oder Sport. Um den Service des Nationalparkamtes für die Gäste zu erhöhen, wurde in den Gründungsjahren direkt das Segment aus Gastronomie über die Partnerinitiative bearbeitet. Gruppen und Individualgäste können ihre Gastgeber auswählen, die ihre jeweiligen Interessen bedienen. Ob Hunsrücker Klöße, Dippelappes oder Wildburger, ob Restaurant oder Catering: Die Partnerinitiative bietet mittlerweile ein sehr breites Portfolio von Anbietern, die sich dem Markenkern von Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit verschrieben haben.

Zu Frage 6:
Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald bietet gemeinsam mit seinen Partnern im Bereich des Tourismus, der Barrierefreiheit, der Umweltbildung und der Nationalen Naturlandschaften ein vielfältiges Angebot. Gäste können eigenständig oder geführt das Gebiet mit seinen Besonderheiten, wie den Rosselhalden oder Hangbrüchern, erkunden. Die geführten Touren der Ranger und Zertifizierten Nationalparkführerinnen und -führer entwickeln sich positiv. Kitas und Schulklassen können auf standardisierte Angebote des Nationalparkamtes zurückgreifen. Nationalparkführerinnen und -führer bieten individuelle Touren für Gruppen an. Mit den Nationalpark-Partnern besteht ein Verbund von ausgezeichneten Betrieben, die sich mit dem Nationalpark identifizieren und einen hohen Wert auf Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit legen.

Damit besteht ein solides Kernangebot auf qualitativ hohem Niveau. Dieses gilt es, mit den Netzwerken und Partnern Zug um Zug weiterzuentwickeln. Dies zeigt sich beispielhaft mit dem Projekt „Barrierefrei Naturerlebnisangebote als Impulsgeber für den ländlichen Raum“ gemeinsam mit dem Naturpark Saar-Hunsrück.

Neben den Angeboten wird auch die Infrastruktur für Besucher weiterentwickelt. Die Nationalpark-Tore sind zentrale Anlaufstellen der Besucher. Im Hunsrückhaus, dem Nationalpark-Tor am Erbeskopf, wurde im Dezember 2018 die Indoor-Ausstellung „Willkommen im Urwald von morgen“ eröffnet. Mit der Übernahme des Hunsrückhauses in diesem Jahr erhält das Nationalparkamt Zugriff auf die Außenflächen und wird im nächsten Jahr eine Außenausstellung errichten sowie weitere Maßnahmen durchführen. Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald gibt der einzigartigen Hunsrücklandschaft eine Identität von nationaler Bedeutung. Die Angebote für Gäste werden konsequent entwickelt. Der Nationalpark ist mit seinen Partnern auf einem guten Weg, dessen Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist.

Zu Frage 7:
Die Kernprodukte des Nationalparks stehen. Sie werden vom Nationalparkamt in den kommenden Jahren immer weiterentwickelt. Neben diesen stehen Schritte für eine bessere Produktvermarktung an.

Eine der größten Herausforderungen es wird sein, die Wahrnehmung und Sichtbarkeit des Nationalparks auszubauen. Der „Neuwert“ des Nationalparks wird in den kommenden Jahren nachlassen und erfordert daher immer wieder neue Produkte oder Produktinnovationen.

Die zielgruppenspezifische Ansprache in der Kommunikation ist dabei besonders zu beachten, da die Wahrnehmung und Sichtbarkeit für Regionen, die als strukturschwach gelten, die größte „Schwachstelle“ mit Blick auf Besucherzahlen darstellen. Marktuntersuchungen zufolge kennen weniger als 2 Prozent der deutschen Bevölkerung den Hunsrück oder das Naheland. Vor diesem Hintergrund sind auch Marketingaktivitäten der Destinationsmarketingorganisationen in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hunsrück-Hochwald zu bewerten.

Dafür wird der seit fünf Jahren beschrittene Weg einer integrativen Entwicklung entlang der touristischen Servicekette konsequent fortgeführt. Von der Information, der Anreise, der Orientierung über die Angebote und den Service vor Ort bis hin zur Abreise und Erinnerung heißt es, Qualitätsdefizite zu bearbeiten. Das betrifft den Nationalpark mit seiner im Aufbau befindlichen Infrastruktur an den Nationalpark-Toren ebenso wie die Verbindung zu Anbietern, die den unmittelbaren Gästekontakt haben, also allen voran die Partnerbetriebe aus dem Gastgebersegment.

Das ist überdies notwendig, um EUROPARC-Kriterien gerecht zu werden, aber auch entlang der touristischen Servicekette stimmige, qualitativ hochwertige, nachhaltige Angebote seitens des Nationalparks anzubieten. Im kommenden Jahr steht für viele Partner der Schritt eines Nachweises nach „Reisen für alle“ oder einer „Nachhaltigkeitszertifizierung“ an. Mit diesen formalen Anforderungen wird auch ein erheblicher Beitrag zu den Tourismusstrategien der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland geleistet. Steht die Region um den Nationalpark herum mit seinen Anbietern als qualitativ hochwertige, nachhaltige „Destination“ da, wird auch die Vermarktung dafür ausgebaut werden können. Hier befinden sich Nationalpark, Nationalpark-Region und umliegende Destinationen immer noch am Anfang einer langen positiven Entwicklung.


In Vertretung:
Dr. Thomas Griese
Staatssekretär

 

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