Kleine Anfrage 17/11916

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Pestizidrückstände im Bienenbrot in Rheinland-Pfalz
Drucksache 17/12302


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/11916 – vom 25. Mai 2020 hat folgenden Wortlaut:

Zahlreiche Insekten wie Wildbienen und unsere Europäische Honigbiene befruchten unsere heimischen Früchte und leisten somit einen unschätzbaren Beitrag für die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz. Viele Imkerinnen und Imker sind zunehmend besorgt über geschwächte Bienenvölker, welche oftmals von Krankheiten und Parasiten befallen werden. Auch wurden nach Angaben von Imkerinnen und Imkern punktuell hohe Rückstandsmengen von Pestiziden und deren Abbauprodukten in Honigerzeugnissen vor-gefunden. Das Deutsche Bienenmonitoring soll helfen, eventuelle Belastungen und Schwerpunktgebiete zu identifizieren.

Wir fragen die Landesregierung:
1. Welche Erkenntnisse zur Rückstandsbelastung im Bienenbrot (Pollen) bzw. in Honigerzeugnissen in Rheinland-Pfalz liegen der Landesregierung vor?
2. Welche Probestandorte in Rheinland-Pfalz werden im Rahmen des Deutschen Bienenmonitorings regelmäßig beprobt, bzw. sind die Ergebnisse repräsentativ für die Situation in den einzelnen Landesteilen?
3. Welche Pestizid-Wirkstoffe wurden im Rahmen des Deutschen Bienenmonitorings besonders häufig im Pollen an den unter-schiedlichen Probestandorten nachgewiesen?
4. Welche möglichen ökologischen Auswirkungen kann eine hohe Pestizidbelastung im Pollen mit den besonders häufig gefundenen Wirkstoffen (nach Ergebnissen des Deutschen Bienenmonitoring) auf Nicht-Zielarten wie z. B. Wildbienen nach dem Kenntnisstand der Landesregierung haben?
5. Welche möglichen ökonomischen Folgen kann eine hohe Pestizidbelastung auf ein Bienenvolk bzw. einen Imkereibetrieb haben?
6. Welche Alternativen werden im ökologischen Anbau (z. B. Obstbau) genutzt, um Pflanzenschutz zu betreiben und gleichzeitig Bienen zu schützen?
7. Welche Erkenntnisse lieferte aus Sicht der Landesregierung das Programm „Bauer hilft Biene“?


Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 6. Juli 2020 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Der Landesregierung liegen die Ergebnisse eigener Untersuchungen und Projekte sowie selbstverständlich die Ergebnisse des „Deutschen Bienenmonitorings“ (DeBiMo) vor. Das DeBiMo wird gemeinsam vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und den Ländern gefördert. Die Berichte und Zwischenberichte sind im Internet öffentlich zugänglich.

Im Rahmen des DeBiMo werden die von den Bienen zur Fütterung und Aufzucht der Brut verwendeten Pollen (Bienenbrot) auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Varroabehandlungsmitteln (Bioziden) untersucht. Fast in jedem Jahr seit Beginn der Untersuchungen in 2011 waren Fungizide die dominierende Wirkstoffgruppe. Bei den Insektiziden wurde das als bienenungefährlich eingestufte Thiacloprid am häufigsten nachgewiesen.

Von 2017 bis 2019 wurde Bienenbrot auf 451 bis 455 verschiedene Wirkstoffe und Metabolite untersucht. Insgesamt wurden maximal 90 Wirkstoffe pro Jahr nachgewiesen, meist im Spurenbereich. Die meisten Proben enthielten mehrere Wirkstoffe. Dabei lag die maximale Anzahl verschiedener Wirkstoffe in einer Probe zwischen 25 und 33 im genannten Zeitraum. Mit der größten Häufigkeit konnten Fungizide vor allem aus Raps-Blütenbehandlungen detektiert werden. Bei den Insektiziden wurde Thiacloprid, dessen Hauptanwendung ebenfalls während der Rapsblüte erfolgt, am häufigsten nachgewiesen. Die bienentoxischen Neonicotinoide Clothianidin und Thiamethoxam konnten in keiner der Proben nachgewiesen werden. Die meisten der gefundenen Wirkstoffe stammen aus dem Rapsanbau, gefolgt von den Sonderkulturen Wein, Obst und Spargel.

Die Ergebnisse der Untersuchungen des Bienenbrots lassen sich nicht auf die Untersuchungsergebnisse für Honige übertragen. An den Standorten mit der maximalen Anzahl von Rückstandsfunden im Bienenbrot wurden acht Honigproben untersucht. Von diesen Honigproben waren sieben Proben ohne Befund. In einer Probe konnten die Fungizide Azoxystrobin und Isopyrazam in unbedenklichen Konzentrationen nachgewiesen werden.

Zu Frage 2:
Aktuell werden acht Bienenstände bzw. Imkereien in Rheinland-Pfalz vom Fachzentrum Bienen und Imkerei des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Westerwald-Osteifel im Rahmen des DeBiMo betreut und in der Regel dreimal jährlich zwecks Beurteilung der Bienenvölker und Probenziehungen besucht. Die Bienenstände liegen in den Landkreisen Alzey-Worms, Bernkastel-Wittlich, Mainz-Bingen, Mayen-Koblenz, Südwestpfalz, Südliche Weinstraße, Trier-Saarburg und dem Westerwaldkreis.

Die Standorte repräsentieren die verschiedenen geografischen Lagen und agrarischen und nicht agrarischen Landnutzungsformen. Die Ergebnisse werden daher als repräsentativ für die Situation in den einzelnen Landesteilen angesehen.

Zu Frage 3:
Der Begriff „Pestizid-Wirkstoffe“ umfasst sowohl Biozide als auch Pflanzenschutzmittel. In den Jahren 2017 bis 2019 wurden an sieben der acht DeBiMo-Standorte 13 Wirkstoffe häufiger nachgewiesen. Der Standort Südliche Weinstraße wird erstmalig in 2020 beprobt. Im Ergebnis überwiegen deutlich die fungiziden Wirkstoffe, die in den für Rheinland-Pfalz typischen Kulturen im Acker, Wein, Obst- und Gemüsebau eingesetzt werden. Im Einzelnen sind das die Wirkstoffe Boscalid, Folpet und sein Metabolit Phtalimid, Metrafenone, Iprovalicarb, Tebuconazol, Dimethomorph, Dimoxystrobin, Captan und sein Metabolit Tetrahydrophthalimid, Trifloxystrobin und Difenoconazol und Myclobutanil.

Die Wirkstoffe Tebuconazol, Trifloxystrobin, und Difenoconazol sind auch im Haus- und Kleingarten zugelassen. Bei den insektiziden Wirkstoffen wurde Thiacloprid (Raps, Obstbau) häufiger gefunden. Der herbizide Wirkstoff Therbuthylazin (Mais) wurde am Standort im Westerwaldkreis unterhalb der Bestimmungsgrenze festgestellt. Am Standort Südwestpfalz wurde nur Tebuconazol unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen.

Zu Frage 4:
Die Untersuchungsergebnisse des DeBiMo weisen darauf hin, dass bei Honigbienen Bienenstände mit nachgewiesenen Rückständen im Bienenbrot keine erhöhten Verlustraten zeigten, sodass ein direkter Zusammenhang zwischen Rückständen von Pflanzenschutzmitteln und/oder Rückständen von bioziden Wirkstoffen und Winterverlusten nicht nachzuweisen ist.

Zu den Auswirkungen auf Nicht-Zielarten, wie z. B. Wildbienen, werden durch die Technische Hochschule (TH) Bingen in Kooperation mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück seit dem Jahr 2018 gezielte Untersuchungen in Obstanlagen durchgeführt. In diesem Rahmen wurden sieben integriert bewirtschaftete Obstbauflächen (drei Kirschanlagen, drei Apfelanlagen, eine Mirabellenanlage) in verschiedenen Landesteilen sowie eine ökologisch bewirtschaftete Fläche (Apfelanlage) untersucht. In 2018 und 2019 wurden auf diesen Flächen 1 269 Wildbienen aus 68 Arten nachgewiesen. Auf den integriert bewirtschafteten Flächen wurden 1 054 Einzelexemplare aus 15 Gattungen mit 67 Arten festgestellt. In der Öko-Apfelanlage wurden 114 Individuen aus 9 Gattungen und zehn Arten bestimmt.

Aus dem Vergleich zwischen den integriert bewirtschafteten mit den ökologisch bewirtschafteten Obstflächen aus 2018 lässt sich ableiten, dass – trotz intensiver Pflanzenschutzanwendungen, die in den Sonderkulturen Kirsche und Apfel im integrierten Anbau erforderlich sind und erfolgen – die Nachweise an Wildbienen sowohl hinsichtlich der Anzahl von Individuen, Gattungen und Arten auf den integriert bewirtschafteten Flächen deutlich höher bzw. höher oder gleich liegen im Vergleich zur ökologisch bewirtschafteten Apfelanlage. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch in der ökologisch bewirtschafteten Anlage Pflanzenschutzmaßnahmen erfolgen.

Demnach sind keine negativen Auswirkungen auf Honig- und auch Wildbienen durch den sachgerechten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu erwarten. Vielmehr zeigt sich, dass der Einfluss der Flora einen entscheidenden Beitrag zum Vorkommen bestimmter Arten leistet, da einzelne Wildbienenarten von besonderen Pflanzenvorkommen abhängig sind. Dass auch diese Pflanzenarten in nach IP-Richtlinien geführten Erwerbsobstanlagen vorkommen, bestätigt die hohe Bedeutung von Obstflächen für die Biodiversität. Das zeigt sich auch darin, dass Obstanlagen ursächliche, wertgebende und essenzielle Bestandteile von Schutz-gebieten (NSG, Natura 2000) sind.

Zu Frage 5:
Durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln kann es in Einzelfällen zu Vergiftungsfällen bei einzelnen Bienen oder auch bei Bienenvölkern kommen. Diese Einzelfälle werden von der zuständigen Behörde, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, überprüft und verfolgt.

Von 2014 bis 2019 wurden in Rheinland-Pfalz insgesamt 17 von Imkern gemeldete Verdachtsfälle von Bienenvergiftungen bei der ADD Trier angezeigt. Davon wurde in 14 Fällen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln als Ursache ausgeschlossen. In zwei Fällen handelte es sich um sogenannten „Frevel“ durch die gezielte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in den Bienenstock. In einem Fall konnte die Ursache nicht eindeutig geklärt werden.

Zu Frage 6:
Um ein stabiles System zu erreichen, sind zwei Säulen für ein Pflanzenschutzkonzept im ökologischen Landbau notwendig. Zum einen sind die direkten Maßnahmen durch den Einsatz von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln (Auswahl für den ökologischen Landbau nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007, BVL), zum anderen die indirekten Maßnahmen zu nennen. Zu den indirekten Maßnahmen zählen u. a. pflanzenbauliche Maßnahmen, Pflege der Bodengesundheit, Auswahl robuster Sorten sowie die Biodiver-sität, in der u. a. die Förderung und Schonung von Nützlingen zu einem stabileren Ökosystem führen kann.

Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat die Schonung der vorhandenen Biodiversität und insbesondere der Insektenfauna oberste Priorität. Viele Verfahren wie die Verwirrmethode, Bacillus thuringiensis oder Granuloviren sind hochselektiv und regulieren ausschließlich die Schaderreger.

Pflanzenschutzmittel wie z. B. Pyrethrin-Präparate (Extrakt aus einer Chrysanthemenart), Präparate auf Basis von Azadirachtin (Extrakt aus den Kernen des Niembaums) oder Rapsöl sowie das bienengefährliche SpinTor (abhängig von Verbandsvorgaben!), die auch im Öko-Obstbau zur Verfügung stehen, sind gegen verschiedenste Schadinsekten wirksam und essenziell für den ökologischen Obstbau.

Eine erfolgreiche Regulierung der Schaderreger kann daher nur im Verbund mit den Maßnahmen aus diesen beiden Säulen in Form von Bausteinstrategien erreicht werden.

Für die ökologisch wirtschaftenden Obstbauern ist Biodiversität ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer Strategie zur Erhaltung der Gesundheit der Kulturpflanzen. Es wird intensiv daran gearbeitet, die Maßnahmen zur Förderung von Biodiversität durch eine artenreiche, blühende Zwischenzeilenbegrünung sowie die Schaffung von Strukturen wie Hecken zu optimieren. Strukturen wie Blühstreifen in den Fahrgassen tragen zur Förderung sowohl von Nützlingen als auch von Wildbienen und der Insektenvielfalt im Allgemeinen bei. Sie „verbrauchen“ dabei keine Nutzfläche, sondern werten diese auf.

Zu Frage 7:
Beim Programm „Bauer hilft Biene“ handelt es sich um ein geplantes gemeinsames Projekt der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz u. a. mit den beiden großen rheinland-pfälzischen Imkerverbänden, verschiedenen Vertretern des Agrarbereichs, der TH Bingen und des Fachzentrums Bienen und Imkerei in Mayen. Erkenntnisse liegen demnach noch nicht vor.


Dr. Volker Wissing
Staatsminister

 

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