Plenarrede

MÜNDLICHE ANFRAGE der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu Verschiebung der Ausländermaut: Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz – Nummer 3 der Drucksache 16/5213

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Danke schön, Herr Präsident. Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Auswirkungen hat die Ankündigung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf Rheinland-Pfalz aus Sicht der Landesregierung?
  2. Ist der Landesregierung bekannt, in welcher Höhe die Ausfälle bei den Einnahmen für die Verkehrsinfrastruktur für Rheinland-Pfalz durch die Maut zu beziffern sind?
  3. Ist der Landesregierung bekannt, welche Gründe den Bundesverkehrsminister bewogen haben, die Maut-Pläne zu verschieben?
  4. Wie schätzt die Landesregierung die zeitliche Perspektive zu einer möglichen Umsetzung der Pkw-Maut in Deutschland auf Basis der Pläne des Bundesverkehrsministers ein?

 

Präsident Joachim Mertes: Es antwortet Herr Innenminister Lewentz. – Bitte schön!

Roger Lewentz, Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur:
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe soll eine Abgabe eingeführt werden, die von Haltern von im Inland und im Ausland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen gleichermaßen für die Nutzung von Bundesauto-bahnen und Bundesstraßen zu entrichten ist. Gleichzeitig soll durch eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes gewährleistet werden, dass Halter in Deutschland zugelassener Fahrzeuge nicht zusätzlich belastet werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundesrat hatte im ersten Durchgang am 6. Februar 2015 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit rheinland-pfälzischer Unterstützung umfangreich Stellung genommen. Die Länder haben insbesondere Bedenken im Hinblick auf die europarechtliche Verträglichkeit der vollen finanziellen Kompensation der Abgaben der Halter in Deutschland zugelassener Fahrzeuge.

Zudem kritisieren sie das Missverhältnis von absehbarem Verwaltungsaufwand und Ertragserwar-tungen. Schließlich sehen die Länder die Gefahr, dass Betriebe in grenznahen deutschen Regionen wirtschaftliche Einbußen erleiden und durch Ausweichverkehre eine erhebliche Mehrbelastung der nachgeordneten Bundes-, Landes- und Kreisstraßennetze entsteht. Auf rheinland-pfälzische Initiative hin forderte der Bundesrat daher, die gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, bestimmte Autobahnabschnitte von der Abgabenpflicht freizustellen. Nicht berücksichtigt hat der Deutsche Bundestag bei seinem Beschluss vom 27. März 2015 die auf Initiative von Rheinland-Pfalz geforderte Ausnahmeregelung für die Grenzregionen. Dies ist am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert. Der federführende Verkehrsausschuss sowie der Finanzausschuss des Bundesrates hatten daher im zweiten Gesetzesdurchgang empfohlen, zu dem Gesetz die Einbe-rufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel zu verlangen, auf grenznahen Autobahnabschnitten Ausnahmen von der Erhebung der Infrastrukturabgabe zu ermöglichen.

Leider hat die Empfehlung, den Vermittlungsausschuss anzurufen, in der entscheidenden Sitzung, in der sich Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer noch einmal nachdrücklich für das Anliegen der Grenzregionen eingesetzt hat, am 8. Mai dieses Jahres keine Mehrheit erhalten. Zwischenzeitlich hat der Bundespräsident das Gesetz  ausgefertigt, so dass es zu gegebener Zeit im Bundesgesetzblatt verkündet wird.

Die Bundesregierung kann den Zeitpunkt des Beginns der Mauterhebung danach durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates festlegen; allerdings beabsichtigt die EU-Kommission nach einer Meldung des Sprechers der Verkehrskommissarinvom 18. Juni, wegen der Pkw-Maut ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Die EU-Kommission hatte bereits im Vorfeld immer wieder Bedenken gegen die Mautpläne von Bundesverkehrsminister Dobrindt geäußert; denn nach ihrer Auffassung diskriminiert die Pkw-Maut Ausländer insbesondere wegender vollständigen Kompensation der Pkw-Maut über eine gleich große Minderung der Kfz-Steuer für die Halter in Deutschland zugelassener Pkw.

Deutschland soll nun zunächst ein Mahnschreiben aus Brüssel erhalten und muss zu den Vorwürfen innerhalb von acht Wochen Stellung nehmen. Wenn sich beide Seiten nicht einigen können, droht Deutschland am Ende eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Dauer des Verfahrens kann zeitlich nicht genau abgeschätzt werden. Sie kann, da der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union hierfür keine Fristen vorsieht, im Moment nicht eingeschätzt werden. Zudem ist der Europäische Gerichtshof grundsätzlich nicht an Fristen gebunden.

Laut EU-Kommission liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer bis zu einem Urteil bei rund zwei Jahren. Sollte es zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof kommen, so wird dies die Einführung der Pkw-Maut auf unbestimmte Zeit verzögern.

Dies vorausgeschickt, wird die Mündliche Anfrage der Frau Kollegin Blatzheim-Roegler von seiten der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Infolge der Verschiebung des Starttermins für die Pkw-Maut müssen Halter im Ausland zugelassener Pkw für deutsche Autobahnen weiterhin keine Benutzungsgebühr entrichten. Damit werden die befürchteten nachteiligen Effekte der Maut auf den grenznahen Einzelhandel und das Gastgewerbe vorerst ausbleiben.

Zu Frage 2:
Bundesverkehrsminister Dobrindt hat die zusätzlichen Einnahmen des Bundes aus der Pkw-Maut nach Abzug der Kosten des Systembetriebes auf jährlich 500 Millionen Euro beziffert. Der Wert berücksichtigt allerdings nicht eine Änderung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag, mit der auch für Kurzzeit-Vignetten eine Staffelung nach Schadstoffklassen erfolgen soll, was, wenn die Pkw-Maut überhaupt noch kommt, zu einer Minderung der Einnahmen gegenüber der alten Veranschlagung führen würde. Die finanziellen Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz wegen der Verschiebung des Mautstarts auf unbestimmte Zeitsind daher praktisch kaum bezifferbar, dies auch deshalb, weil derzeit noch nicht feststeht, ob das Bundesfinanzministerium gegebenenfalls bereit sein wird, die in 2016 voraussichtlich nicht fließenden Mautmittel durch Haushaltsmittel teilweise oder vollständig zu ersetzen.

Hinzu kommt, dass die Mauteinnahmen dem Bund zufallen und es diesem freisteht zu entscheiden, für welche Verkehrsvorhaben und in welchen Ländern er diese Mittel verausgabt. Wir haben bisher immer ein deutliches Präganz im Süden unserer Republik feststellen müssen. Unter der Annahme, dass die ausfallenden Mautmittel vom Bundesfinanzministerium nicht durch Haushaltsmittel ersetzt werden und Rheinland-Pfalz entsprechend seiner üblichen Straßenbauquote von den Ausfällen betroffen sein wird, könnten sich die fehlenden Mittel auf eine Größenordnung von rund 25 Millionen Euro belaufen. Allerdings ist dies eher eine hypothetische Betrachtung. Sollte sich die Entwicklung so ergeben, ist wohl eher davon auszugehen, dass dies vor allem zu Verzögerungen bei Neubauvorhaben des Bundes führen wird.

Zu Frage 3:
Bundesverkehrsminister Dobrindt hat nach Bekannt werden der Absicht der EU-Kommission in einem Interview in einer großen deutschen Tageszeitung am 18. Juni dieses Jahres angekündigt, dass er erst nach Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens die Suche und die Auswahl eines Betreibers für das Pkw-Mautsystem fortsetzen werde. Die Gründe im Einzelnen hat er nicht dargelegt.

Unstrittig ist jedoch, dass dem Bund sehr hohe Risiken erwachsen, wenn er vertragliche finanzielle Bindungen mit einem möglichen Betreiber eingeht und der Europäische Gerichtshof danach die deutsche Pkw-Maut für europarechtswidrig erklären würde.

Zu Frage 4:
Wie in der Eingangsbemerkung erwähnt, lässt sich die mögliche Dauer des anstehenden Vertragsverletzungsverfahrens nicht genau eingrenzen. Es wird entscheidend darauf ankommen, ob die EU-Kommission eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen wird. Nach Angaben der EU-Kommission beläuft sich die durchschnittliche Dauer von Vertragsverletzungsverfahrens bis zum Urteilsspruch auf rund zwei Jahre. Die Landesregierunggeht daher davon aus, dass es im Jahr 2016 nicht mehr zum Beginn einer Mauterhebung kommen wird.

Präsident Joachim Mertes: Zu einer Zusatzfrage erteile ich Frau Kollegin Blatzheim-Roegler das Wort.

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Herr Minister, können Sie kurz darstellen, welche Reaktionen Sie aus unseren Nachbarstaaten, wie beispielsweise Luxemburg, erhalten haben, als die Pläne bekannt wurden, dass die Maut eingeführt wird, und auch jetzt nach der Ankündigung, dass sie erst einmal nicht eingeführt wird?

Roger Lewentz, Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur:
Ich glaube, das konnte man auch öffentlich nachvollziehen. Es war medial insbesondere in unseren Grenzbereichen publiziert worden, dass Luxemburg, Belgien und viele andere EU-Staaten sagen, sie halten dies mit Blick auf Europa für einen völlig falschen Weg. Sie haben sicherlich auch die Europäische Kommission motiviert, sehr genau hinzuschauen und die Kritik, die formuliert wurde, auch in dieses Verfahren einzubringen. Wir haben jetzt insbesondere von unseren Nachbarn aus Belgien sozusagen eine große Erleichterung mitgeteilt bekommen, dass im Augenblick – und ich sagte, wahrscheinlich mindestens bis Ende 2016 – der kleine Grenzverkehrbestehen bleibt, also die Möglichkeit, dass Menschen in grenznahen Bereichen, wie das der Geist von Schengen und der Geist der Europäischen Union ist, sich völlig barrierefrei und ohne Eintritt zahlen zu müssen begegnen können. Diese Hinweise aus Belgien habe ich natürlich gerne gehört, weil wir den grenznahen Bereich insbesondere mit unseren Initiativen mit dem starken Einsatz unserer Ministerpräsidentin im Bundesrat im Blick hatten.

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