Plenarrede

AKTUELLE DEBATTE - Erfolg der Frauenbewegung für die Selbstbestimmung: Nein heißt nein! auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/426


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnenund Kollegen!
Die Aktuelle Debatte „Erfolg der Frauenbewegung für die Selbststimmung: Nein heißt nein!“ umfasst ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema. Die Frauenbewegung, die mit mutigen Frauen und mit Frauenver-
bänden, die jahrhundertelang für die Gleichstellung, das Wahlrecht, die sexuelle Gleichstellung und Selbstbestimmung der Frau und das Recht auf den eigenen Körper gekämpft haben, hat eine lange Geschichte.

Auch jetzt waren viele Frauenverbände wieder dabei, als es darum ging, das „Nein heißt Nein“ auch gesetzlich zu verankern. An dieser Stelle möchte ich mich dafür auch noch einmal herzlich bedanken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
der SPD und der FDP)

Die mühsame und lange Geschichte der Frauenbewegung hier darzustellen, würde den Rahmen einer Aktuellen Debatten-Stunde sprengen. Ich beschränke mich deswegen auf den großen letzten Erfolg. Am 7. Juli 2016 hat der Deutsche Bundestag ohne Gegenstimme den Grundsatz „Nein heißt Nein“ verabschiedet, der auch strafrechtliche Konsequenzen hat.

An dieser Stelle möchte ich erst einmal auf einen anderen Aspekt eingehen. Ich möchte noch einmal einen Blick zurückwerfen, wie dieser Erfolg nicht nur für die Frauenbewegung, sondern für unsere ganze Gesellschaft zustande gekommen ist. Gesetzliche Besserstellungen, Verbesserungen im rechtlichen Sinn, aber auch die gesellschaftliche Anerkennung, gerade was die sexuelle Selbstbestimmung angeht, sind erst Anfang der 70er-Jahre unter der sozialliberalen Koalition angepackt worden. Ich nenne zum Beispiel die Abschaffung der Hausfrauenehe. Ich glaube, es weiß kaum jemand, wie lange diese noch Gesetz war. Es dauerte bis 1978, bis der erste Notruf für Vergewaltigungsopfer eingerichtet wurde. Das ist für uns heute unvorstellbar. Das ist ein fester Posten im Haushalt des Landes.

Wir Grünen haben 1983, als wir in den Bundestag kamen, das Thema sexuelle Selbstbestimmung der Frauen immer wieder auch parlamentarisch eingebracht. Ich bin noch im Nachhinein stolz und dankbar, dass ich 1986 zusammen mit Antje Vollmer, Luise Beck und Claudia Roth am ersten Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes mitarbeiten konnte. Es wurde dann abgelehnt.

Das Thema Vergewaltigung in der Ehe, das wir damals dort hineingeschrieben haben, rief Empörung hervor, aber nicht Empörung darüber, dass es diesen Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe gibt, sondern dass er bestraft werden sollte. Erst am 15. Mai 1977 wurde die Vergewaltigung in der Ehe strafbar.
Ich sage Ihnen jetzt, es gab 138 Nein-Stimmen zu diesem Gesetz und 35 Enthaltungen, und genau deswegen finde ich es einen Meilenstein für uns als Gesellschaft, dass „Nein heißt Nein“ jetzt einstimmig im Bundestag verabschiedet worden ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Dass es immer noch einer strafrechtlichen Regelung bedarf, um so etwas – für mich eigentlich Selbstverständliches – wie die Achtung der Meinung und des Willens eines anderen als gesetzliche Regelung niederzulegen, zeigt, dass wir noch einen weiten Weg zu gehen haben. Im Übrigen ist zu erwähnen, dass in diesem Gesetz jetzt erstmals nicht nur „Nein heißt Nein“ postuliert wird, sondern es auch einen Paragrafen gibt, dass auch dieses Grapschen, Betatschen und mal auf den Hintern klopfen strafrechtlich belangt werden kann. Das ist nämlich kein Kavaliersdelikt, und es gibt wahrscheinlich keine Frau in diesem Raum, die das nicht schon einmal erlebt hat.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Dass es im Einzelfall natürlich auch schwierig sein wird, nach wie vor eine Beweissicherung zu machen, und dass auch nach wie vor an der einen oder anderen Stelle noch Aussage gegen Aussage stehen wird, finde ich an dieser Rechtslage bedauerlich, aber so ist das nun einmal, und jede Rechtslage kann auch noch fehleranfällig sein. Aber es wird auch weiterhin darum zu kämpfen sein, dass „Nein heißt Nein“ eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit wird,

(Glocke des Präsidenten)

wie im Übrigen auch in anderen Bereichen des Lebens, und dafür kämpfen können wir alle. Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was die Kollegin der AfD eben hier eingebracht hat, war schon ziemlich abstrus. Den Gedanken zu haben, jetzt eine Änderung des Gesetzes und des gemeinsamen Sagens „Nein heißt Nein“, wenn es zu sexuellen Übergriffen kommt, allein auf Ereignisse von vor drei Monaten abzustellen, entbehrt jeder Realität. Das sage ich Ihnen als jemand, der in den 70er- und 80er-Jahren mit der lila Latzhose für die Frauenbewegung gekämpft hat.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Schon damals war es ein Ziel, dieses „Nein heißt Nein“ in der Gesellschaft zum Konsens zu machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Damit müssen Sie mir also echt nicht kommen. Zwei Sätze noch. Es kam von der CDU, dass die Grünen im Bundestag nicht dem ganzen Gesetz zugestimmt haben. Dies vielleicht als Hintergrund: Diesen Gruppenantrag verstehe ich bis heute nicht, weil wenn aus einer Gruppe heraus kriminelle Handlungen vollbracht werden, gibt es jetzt schon einen Paragrafen. Der heißt nämlich „unterlassene Hilfeleistung“. Sie können nicht einfach in einer Gruppe dastehen und zusehen, wie einer dem anderen etwas tut, sage ich jetzt mal.

Die andere Änderung, die sich auf Asylbewerber bezog, ist am 4. Juli, drei Tage vor der Befassung mit dem Gesetz, noch irgendwie völlig aus dem Off gekommen. Deswegen fand ich die Entscheidung unserer Fraktion und auch der Fraktion DIE LINKE folgerichtig, sich bei den Punkten zu enthalten.

Aber – das habe ich ganz am Anfang gesagt – ich wollte heute hier herausheben, wir wollten heute hier herausheben, was für eine gute und wirklich super Errungenschaft es ist, dass wir bei „Nein heißt Nein“ einen Konsens haben. Wenn das nicht alle nachvollziehen können – aus der Fraktion der AfD habe ich das so herausgehört –, dann ist das vielleicht damit zu erklären, dass in Ihrer Partei die Sache halt so gesehen wird – ich zitiere jetzt Beatrix von Storch –:

(Glocke des Präsidenten!)

Ehemänner müssen jetzt beim Sex die Ohren spitzen. Ein überhörtes Nein kann sie zum Vergewaltiger machen. – Da sage ich ganz klar:

(Glocke des Präsidenten)

Das ist keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Danke.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

 

Hier vollständiges Plenarprotokoll (PDF) nachlesen



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