Plenarrede

Landesgesetz zur Änderung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 17/2514 - Zweite Beratung
dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 17/3093 - Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/3113 -

 

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch unsere Fraktion hält die vorgeschlagenen Änderungen am Brand- und Katastrophenschutzgesetz, denen wir zustimmen werden, für sinnvoll.

Die Höchstgrenze der Geldbuße bei Einsatzbehinderungen von 5.000 Euro auf 10.000 Euro hochzusetzen, halten wir für richtig. Außerdem begrüßen wir „in Anführungszeichen“ auch – dazu sage ich gleich noch etwas –, dass ein neuer Ordnungsstraftatbestand geschaffen wird, der dann gilt, wenn Anordnungen des Rettungsdienstes, von Leitenden Notärzten oder kommunalen Organisatorischen Leitern nicht Folge geleistet wird.

Ich erkläre Ihnen jetzt auch, warum ich eben gesagt habe, wir begrüßen das „in Anführungszeichen“, weil es im Grunde genommen natürlich unglaublich ist, dass es überhaupt notwendig ist, einen solchen neuen Ordnungsstraftatbestand zu schaffen. Das ist schon unglaublich.

Dem Vorschlag der CDU, diese Regelung auf die Ebene der allgemeinen Ordnungsbehörden auszudehnen, können wir nicht zustimmen, weil es da rechtliche Bedenken gibt. 

Viele Grüße übrigens von meinem Sohn an den Kollegen der AfD. Er möchte von Ihnen nicht Held des Alltags genannt werden. Er ist Rettungsassistent und HEMS. Er liebt seinen Beruf. Es ist jeden Tag entweder im Hubschrauber oder im Auto unterwegs, aber er sagt, Held des Alltags ist nicht der Ausdruck, den man unbedingt dafür benutzen muss.

Ich möchte noch auf die Seveso-III-Richtlinie eingehen. Hier wird das Störfallrecht an neue Entwicklungen angepasst. Die Richtlinie 2012/18/EU muss umgesetzt werden. Die sogenannte Seveso-III-Richtlinie regelt Anforderungen an Betriebe, von denen bei Unfällen mit gefährlichen Stof- fen erhebliche Gefahren ausgehen können. Die Kollegen haben es schon dargestellt, das ist eine EU-Leitlinie, die sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene umgesetzt werden muss.

Damit einhergehend soll auch eine Einstufung und Kenn- zeichnung gefährlicher Stoffe und Gemische in dem dazugehörigen Anhang komplett neu gestaltet werden. Vorgesehen sind vor allem eine Änderung der Störfallverordnung und Änderungen zum Genehmigungsverfahren.

Warum ist diese Seveso-Richtlinie so wichtig? Ich möchte an 1976 erinnern – die Kollegin hat es bereits getan –, als in Seveso ein Chemieunfall passierte. 20 Kilometer von Mailand entfernt wurde in einer kleinen Gemeinde Unkrautvernichtungsmittel hergestellt. Aufgrund von menschlichem und auch technischem Versagen kam es zu einer Explosion in diesem Werk. Es hat Tage gedauert, bevor die Öffentlichkeit überhaupt davon erfahren hat.

Man hat versucht, es unter der Decke zu halten, selbst gegenüber den direkt betroffenen Menschen. Kinder wurden ein paar Tage später mit Chlorakne ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Es verdorrten Blätter und Vögel fielen tot vom Himmel. Ich kann mich noch an die Bilder erinnern, als dann endlich, mithilfe des Militärs, die betroffenen Gemeinden zwangsgeräumt wurden.

Die Seveso-Richtlinie ist eine Folge dieses Unfalls. Dieser Unfall wurde mühsam aufgeklärt. Es hat aber sehr lange gedauert, bis sich der Mutterkonzern Roche dazu bekannt hat und Entschädigungen geflossen sind.

Kurios, skandalös ist meiner Meinung nach auch, dass die Entsorgung damals überhaupt nicht geregelt war. Im Gegenteil, es verschwanden Fässer mit dieser giftigen Substanz. Sie wurden überall gesucht, selbst in Deutschland. Noch heute wird vermutet, dass ungefähr 41 dieser Fässer, die nie wieder aufgetaucht sind, irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern dümpeln.

Die deutsche Bundesregierung beauftragte nach eigener erfolgloser Suche damals Werner Mauss mit der Recherche nach dem Verbleib der Fässer. Wie gesagt, sie sind nicht wieder aufgetaucht. Die EU-Seveso-Richtlinien – jetzt die dritte – sind eine Folge der Katastrophe. Wir sollten die aktuelle Fassung daher umsetzen.

Danke.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

 

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