Plenarrede

Fachkräftegewinnung als Standortfaktor auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 17/4626


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In 2014 haben die Partner des ovalen Tisches eine bundesweit umfassende Fachkräftestrategie mit über 200 zum Teil sehr ehrgeizigen Vorhaben auf den Weg gebracht. Damals waren Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke diejenigen, die die Strategie ans Laufen brachten.

Rund 1.800 Unternehmen – ich habe es einmal nachgelesen – wurden damit im Laufe der vergangenen vier Jahre erreicht. Die jetzt neu vereinbarte Fachkräftestrategie mit der Laufzeit ab 2018 bis 2021 umfasst ebenfalls wieder zahlreiche Vorhaben. Partnerinnen waren und sind die des ovalen Tischs, also Kammern, Arbeitgeberverbände, die Bundesagentur für Arbeit, Verbände wie die DEHOGA, Einzelhandelsverband und selbstverständlich die Gewerkschaften und darüber hinaus – das wurde ebenso ein bisschen angezweifelt, ob das Land da genug macht – neben der Staatskanzlei auch die zuständigen Ministerien Arbeit, Bildung, Wirtschaft.

Es ist eine Landesstrategie, und man sieht an der Aufzählung, die ich gerade gemacht habe, ja, es sind alle relevanten Gruppen des Landes, die mit Arbeit und Wirtschaft zu tun haben, dort eingebunden. Ich glaube, genau das ist das, was einer Strategie zum Erfolg verhilft.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Es geht um Nachwuchssicherung, Potenziale zu nutzen und Kompetenzen zu erhalten und auszubauen, zum Beispiel durch Weiterbildung. Es geht um die Frage, die insbesondere für den Mittelstand in Rheinland-Pfalz wichtig ist: Wie können Unternehmen ihr Innovationspotenzial durch attraktive Arbeitsplätze steigern und sich langfristig als Talentmagnet im Wettbewerb um die Nachwuchskräfte von morgen erfolgreich positionieren, und wie können wir die Herausforderungen durch die demografische Entwicklung, den allgemeinen Wettbewerb um Fachkräfte- und Nachwuchskräfte, meistern, und vor allem, wie können wir das angesichts des Strukturwandels in der Arbeitswelt schultern?Dazu nur ein Stichwort – es ist auch schon gefallen –: Digitalisierung.

Aber auch das eigentlich Positive, nämlich eine gute Wirtschaftslage und eine historisch niedrige Arbeitslosigkeit insbesondere in weiten Teilen unseres eigenen Bundeslandes, macht es für öffentliche und private Arbeitgeber schwer, tatsächlich geeignete Arbeitskräfte zu finden. Davon sind fast alle Branchen betroffen, vom Gastgewerbe bis zu den technischen Berufen.

Bei den technischen Berufen möchte ich eine Strategie noch einmal besonders nennen. Mit der MINT-Strategie versucht die Landesregierung, gezielt Mädchen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zu fördern, dies mit einigem Erfolg, wie man den Zahlen entnimmt, die auch von der Familienministerin gestern im AGF vorgetragen wurden. Aber das reicht nicht.

Ein weiteres gutes Beispiel für Fachkräftegewinnung kann auch Frauenförderung sein. Da geht die Landesregierung mit gutem Beispiel voran. Sie hat beispielsweise das Programm „Mehr Frauen an die Spitze“ mit Mentorinnenprogrammen, guten Bedingungen für Telearbeitsplätze, Homeoffice und Teilzeitarbeitsplätzen etabliert. Was uns und unsere Betriebe für Frauen richtig attraktiv machen würde im Wettbewerb um gute Köpfe, wäre allerdings die Auflösung des Gender Pay Gap, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Ich möchte einmal wissen, wie schnell so ein Gender Pay Gap abgeschafft würde, wenn im Parlament willkürlich die Männer weniger Abgeordnetenbezüge bekommen würden,

(Abg. Martin Haller, SPD: Das würde schnell gehen! Das glaube ich auch!)

vielleicht mit der Begründung, dass statistisch gesehen Mädchen inzwischen die besseren und höheren Schul- und Studienabschlüsse haben. Ich glaube, dann wäre das Thema hier schnell vom Tisch.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD in der FDP)

Gestern hat die Familienministerin im Ausschuss, im AGF, die aktuelle OECD-Studie mit dem Titel „Das Streben nach Geschlechtergleichstellung – Ein harter Kampf“ vorgestellt. Darin wird seitens der OECD dargelegt, dass wir in Deutschland mit 17 % Einkommensgefälle so ziemlich hinter dem Durchschnitt liegen und sich das Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern seit 2010 kaum verändert hat.

Ich werde im zweiten Teil noch einmal darauf eingehen.

(Glocke des Präsidenten – Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

 

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Jetzt ist mir doch ein Zitat von Erasmus von Rotterdam eingefallen: „Wer oft genug an’s Hohle klopft, der schenkt der Leere ein Geräusch.“

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, Frau Kollegin!)

Ich komme zurück zur Fachkräftestrategie. Es wurde angemahnt, dass der öffentliche Dienst sicher dazu beitragen kann – das ist richtig –, dass Rheinland-Pfalz ein attraktiver Arbeitgeber wird. Es wurde gesagt, dass es heute für junge Familien und Menschen wichtig ist, dass für sie Job und Beruf ein Stück Selbstverwirklichung beinhalten. Dazu gehört die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Vor 20 Jahren ging es noch darum, dass die Vereinbarkeit von Beruf, Kindererziehung und Haushalt vor allem bei den Frauen wichtig war und man es den Frauen hat „bequem“ machen wollen, drei Jobs auf einmal machen zu können. Die Männer hatten selbstverständlich das Recht auf Vollzeit. Glücklicherweise ist es heute so, dass mehr und mehr junge Männer Erziehungs- und Kinderpflegearbeit machen wollen. Unsere Landesregierung und unser öffentlicher Dienst sind dafür ein gutes Beispiel, dass das möglich ist, solche Lebensmodelle phasenweise zu leben, dass beide weniger arbeiten oder sich die Erziehung teilen.

Es ist wichtig, dass diese Möglichkeit besteht. Andernfalls zwingen sie denjenigen, der die Erziehungsarbeit macht und mit den Kindern lebt – was phasenweise wunderbar ist –, in eine gezwungene Erwerbslosigkeit. Volkswirtschaftlich ist es ein absoluter Wahnsinn, gut ausgebildete junge Menschen, Männer wie Frauen, an den Herd zu fesseln, weil, wie in anderen Bundesländern, die Betreuungssituation nicht so gut ist wie in Rheinland-Pfalz. Das ist ein Pfund, mit dem Rheinland-Pfalz wuchern kann, wenn es darum geht, attraktive Arbeitsplätze anbieten zu können. Eine gute, wohnortnahe, kostenfreie Kita-Landschaft und betreuende Grundschulen, wie wir sie haben, findet man nicht in Hessen und Nordrhein-Westfalen.

(Glocke des Präsidenten)

Dort müssen sie mit ein bis zwei Kindern bis zu 500 Euro ausgeben, damit die Kinderbetreuung gesichert ist und die Eltern arbeiten gehen können. Ich finde, das gehört dazu, wenn man aufzählt, welche attraktiven Arbeitsmöglichkeiten in Rheinland-Pfalz vorhanden sind.

(Glocke des Präsidenten)

Auch das ist Teil einer klugen Strategie zur Erreichung der Fachkräftesicherung. Danke.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

 

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