Plenarrede

AKTUELLE DEBATTE - Verantwortung der Landesregierung für steigende Auspendlerzahlen auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/6049


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich musste gestern tatsächlich zweimal den Titel Ihrer Aktuellen Stunde lesen: „Verantwortung der Landesregierung für steigende Auspendlerzahlen“.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Es doch gar nicht so lang!)

Ich habe mich wirklich gefragt, was Sie geritten hat.

Ich hatte mir schon vorher die Seite beim SWR angeschaut. Tatsächlich ist es natürlich für uns alle ein wichtiges Thema, mit dem wir uns befassen. Jeder von uns kennt jemanden, der pendelt.

Dann habe ich mir aber nicht nur die rheinland-pfälzische Seite angeschaut, ich bin auch einmal auf die baden-württembergische Seite gegangen. Der SWR hat nämlich sowohl für Rheinland-Pfalz als auch für Baden-Württemberg die Zahlen untersucht. Siehe da, zwar steht bei Rheinland-Pfalz, dass insgesamt 72 % pendeln, in Baden-Württemberg sind es aber sogar 80 %.

(Abg. Simone Huth-Haage, CDU: Das ist so irre!)

Auf der baden-württembergischen Seite ist auch zu lesen, dass besonders viele Menschen aus Baden-Württemberg aus dem Rhein-Neckar-Raum in die Stadt Ludwigshafen pendeln, um dort zu arbeiten. Insgesamt sind es in Baden-Württemberg über 500 Gemeinden, in denen fast alle Arbeitnehmer auswärts arbeiten, nämlich 85 %.

Man sollte sich immer alles anschauen. Insofern relativiert sich natürlich Ihre Kritik, dass die Landesregierung jetzt plötzlich für die hohen Auspendlerzahlen verantwortlich wäre, auf null. Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Ihnen von der CDU, aber auch den Kollegen von der AfD. Sie brauchen mir überhaupt nicht mehr auf irgend einem Termin in Rheinland-Pfalz zu kommen und zu rühmen, wie schön denn unsere Heimat und wie schön unser Land ist.

(Abg. Simone Huth-Haage, CDU: Was hat das denn damit zu tun?)

Denn offensichtlich ist unser Land so schrecklich, dass alle Leute schnell herausfahren müssen, um zu arbeiten.

(Abg. Simone Huth-Haage, CDU: Das ist Quatsch! So ein Blödsinn! – Weitere Zurufe von der CDU)

– Ja, das müssen Sie sich jetzt schon anhören.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Was haben Sie denn heute Morgen geraucht? – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sehr dürftig!)

Ich komme nun zu den Zahlen der Pendlerinnen und Pendler. In der Untersuchung, die der SWR gemacht hat, wird gesagt, 72 % der Rheinland-Pfälzer pendeln. Es steht aber auch drin, dass insgesamt aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren über 100.000 neue Jobs in Rheinland-Pfalz geschaffen worden sind und eben auch die Zahl der Einpendlerinnen und Einpendler enorm gestiegen ist.

Sie haben kritisiert, dass die armen Pendler so leiden – wir haben so viele Pendler –, weil wir natürlich auch über schlechte Straßenbedingungen verfügen

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Natürlich!)

und alles ganz schrecklich ist.

Ich habe mir beispielsweise ein paar Orte angeschaut. Ich habe mir einmal Bernkastel-Kues angeschaut. Abgesehen davon, dass es dort tatsächlich weniger Auspendler als Einpendler gibt, ist es dort so, dass Sie, wenn Sie im Nachbarort arbeiten, ungefähr 2 km zu fahren haben. Aber Sie überschreiten eine Gemeindegrenze. Also wird derjenige, der jetzt bei der Firma Benninghoven in Mülheim arbeitet, die 2 km weit entfernt ist, als Auspendler gezählt.

In Mülheim – ein kleiner Ort, der aber ein großes Gewerbegebiet hat – haben sich viele Menschen angesiedelt, weil sie in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen wollten. Jetzt haben sie aber das Pech, dass die Firma Benninghoven erst an die Wirtgen Group verkauft worden ist und jetzt an John Deere. John Deere baut im Industriegebiet Wengerohr – rund 20 km entfernt – eine neue Firma. Also wird rein statistisch die Zahl der Auspendler aus Bernkastel-Kues oder aus Mülheim in Zukunft natürlich um ein Vielfaches steigen, weil es mehrere 100 Arbeitnehmer betrifft. So muss man sich die Mühe machen, genau hineinzuschauen, was diese Studie sagen möchte.

Ich fand die Studie insofern auch interessant, weil sie noch einmal unter die Lupe genommen hat, wie es denn konkret aussieht. Was könnte man in der Zeit machen? Wenn man von Mühlheim nach Bernkastel-Kues oder zurück pro Tag sieben Minuten braucht, dann sind das im Jahr 52 Stunden. In der Zeit könnte man 516 km joggen mit 10 km/h. Ich muss ehrlich sagen, vielleicht hätten Sie einmal eine Runde joggen sollen, bevor Sie sich diese Aktuelle Debatte überlegt haben.

Sie könnten auch von Mülheim nach Bernkastel-Kues einmal im Jahr nach Moskau fahren. Insofern finde ich diese Studie richtig klasse. Sie müssen Sie insgesamt lesen.

Was aber deutlich wird, ist, die Menschen, die bei uns leben, leben hier gerne.

(Glocke der Präsidentin)

Niemandem will man vorschreiben, wo sie arbeiten sollen. Es gibt genauso Menschen, die wieder zurückkommen, weil sie hier hervorragende Arbeitsmöglichkeiten finden.

Dazu gerne etwas in der zweiten Runde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Christine Schneider, CDU: Nein! Bitte nicht!


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde noch einmal kritisiert, dass Rheinland-Pfalz nicht genug Arbeitsplätze gerade im ländlichen Raum zur Verfügung stellt und die Menschen gezwungen sind, lange Wege in die anderen Bundesländer zu nehmen.

In der SWR-Studie kam auch heraus – ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin teilweise zitieren –, dass gerade Städte wie Simmern im Hunsrück, Montabaur oder Altenkirchen im Westerwald und auch Wittlich in der Eifel zu den Kommunen gehören, in denen es vergleichsweise mehr Einpendler als Auspendler gibt, auch im Verhältnis zu Städten wie Mainz oder Koblenz. In diesen vorgenannten Städten kommen in mehr als acht von zehn Fällen die Pendler von außerhalb. In Mainz und Koblenz dagegen sind es nur sechs von zehn Beschäftigten.

Frau Kollegin Wieland freut sich besonders darüber, dass in den letzten Jahren die Gewerbesteuereinnahmen in Montabaur drastisch gestiegen sind. Das trifft beispielsweise auch für Wittlich in der Eifel zu. Herr Kollege Alexander Licht ist Zweiter Kreisbeigeordneter und kann bestätigen, dass gerade auch bei uns im ländlichen Raum die Zahl der Arbeitsplätze auch durch das Industriegebiet in Wittlich gestiegen sind. Ab und zu kann man ihn oder den Landrat stolz auf Fotos bewundern, auf denen sie neuen Firmen den Schlüssel übergeben oder sich freuen, dass eine weitere Firma dazugekommen ist.

Auf der Reise nach China haben wir bei den Kolleginnen und Kollegen von der Wirtschaft erlebt, dass manches Bundesland auf die hoch qualifizierten Arbeitsplatzangebote gerade in der Fläche, die sogenannten Hidden Champions, stolz wäre. Schade, dass es bei uns nicht alle sind.

Ein letztes Wort zu den angeblich so maroden Straßen. Rheinland-Pfalz hat in der letzten und auch in der jetzigen Legislatur Wert darauf gelegt, in den Erhalt und den Ausbau bestehender Straßen zu investieren.

(Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU)

Genau das machen wir nach wie vor. Ein Teil der finan- ziellen Förderung geht in den Erhalt des Straßenbaus. Tatsächlich gab es großen Nachholbedarf. Daneben haben wir sowohl in der letzten als auch in dieser Periode sehr viel daran gesetzt, um den Rheinland-Pfalz-Takt und den ÖPNV zu stärken, beispielsweise das ÖPNV-Konzept Nord im Norden von Rheinland-Pfalz.

Ein Beispiel, das wirklich gut funktioniert – das kann man, wenn man die SWR-Untersuchung genau liest, herauslesen –, ist der Rhein-Pfalz-Kreis. Dieser gehört zu den Landkreisen, in denen viele Menschen zur Arbeit und wieder nach Hause unterwegs sind. Allerdings ist dort die Zahl derjenigen, die den guten ÖPNV nutzen, besonders hoch.

Deswegen bin ich sehr erfreut und dankbar, dass das Wirtschafts- und Verkehrsministerium und diese Landesregierung auch weiterhin ihre Kraft und ihre Arbeit daransetzen werden, für die Menschen in Rheinland-Pfalz gute Arbeitsbedingungen, gute Verkehrsmöglichkeiten und insgesamt ein gutes Leben in einem wunderschönen Bundesland zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

 

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Jutta unterstützt die Aktion als Patin an der IGS Morbach und am Gymnasium Traben-Trarbach. Infos hier>>

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