Plenarrede

Aktuelle Agrarpolitik der Bundesregierungbefördert Existenzsorgen der Landwirtinnen und Landwirte – Landwirtschaft braucht faire, verlässliche Rahmenbedingungen und keinen Aktionismus – Drucksache 17/10784 –


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir waren gestern zur Demo der Bauern „Landschafft Verbindung“ eingeladen. Ich würde auch sagen, Land schafft nicht nur Verbindung, sondern Land schafft Heimat, Land schafft Identität, und Land schafft Zukunft.

Unsere Zukunft ist im Wesentlichen davon abhängig, wie wir es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten schaffen, unsere Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.

Sie ist aber auch davon abhängig – das kam gestern in Reden während der Demonstration klar zum Ausdruck –, dass wir es schaffen, dass Landwirtinnen und Landwirte noch genug Land haben; denn ein Grund, weshalb sich auch in Rheinland-Pfalz Landwirtinnen und Landwirte um ihre eigene Zukunft Sorgen machen, ist, dass immer mehr landwirtschaftliche Flächen verschwinden, und das auch – das ist die Kehrseite des Fortschritts – durch große Infrastrukturprojekte.

Wenn Sie mich im Kreis Bernkastel-Wittlich besuchen, werden Sie sicher von den örtlichen Bürgermeistern begrüßt werden, die sehr stolz darauf sind, dass wir in Wittlich 18.000 Industriearbeitsplätze bei 20.000 Einwohnern haben.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Die Kehrseite der Medaille ist, dass im Zuge der Hochmoselbrücke und der B 50 neu hektarweise super landwirtschaftliche Flächen versiegelt wurden und noch Ausgleichsflächen hinzukamen. Deswegen sage ich: Wir müssen auf die Landwirtschaft auch einen ganzheitlichen Blick legen. Wir müssen uns in Zukunft gut überlegen, wo wir Infrastruktur brauchen – die brauchen wir natürlich auch – und wo wir sagen, hier müssen die landwirtschaftlichen Böden den Vorzug haben.

Landwirtschaft braucht wie jeder andere Wirtschaftszweig aber auch verlässliche Rahmenbedingungen, um investieren zu können. Das gilt insbesondere für zwei Bereiche: für die finanzielle Unterstützung für eine tiergerechte Landwirtschaft und für die Unterstützung für eine umweltfreundliche Landwirtschaft. In diesen beiden Bereichen versagt nach unserer Ansicht die Bundeslandwirtschaftsministerin vollkommen; denn verlässliche Rahmenbedingungen zuschaffen heißt auch, einen Kurs zu haben, wo man hinmöchte, wenn Sie so wollen, einen Wertekompass zu haben, was man erreichen will.

Nicht nur den Missstand verwalten, sondern auch umwelt- und klimafreundliche bäuerliche Landwirtschaft in Zukunft erhalten, das ist der Wertekompass, nach dem wir uns als Grüne in der Ampelkoalition richten. Da hilft es aber nichts, wenn Rheinland-Pfalz versucht, diesen Weg zu gehen. Da brauchen wir eben auch die Unterstützung und einen Kompass auf Bundesebene.

Zur umweltfreundlichen Landwirtschaft, die von einigen eher belächelt wird oder – oh Gott – als ideologisch bezeichnet wird, einmal ein paar Zahlen: Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 10 Milliarden Euro mit ökologisch produzierten Lebensmitteln umgesetzt. Das ist bisher der Rekord. Wir können aber nur die Hälfte der Nachfrage an Bio- und Ökoprodukten mit heimischen Produkten bedienen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher fragen diese Produkte nach.

Natürlich haben die recht, die sagen, es gibt sicher solche, die sagen, wir brauchen Bio und Öko, aber es dann doch nicht in dem Maße kaufen. Ja, aber zu beobachten ist – da muss ich nur auf mein eigenes Umfeld schauen, in dem eine Menge an konservativen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen dabei sind –,

(Heiterkeit bei der AfD)

dass für viele klar ist, dass regionale und Ökoprodukte etwas sind, für die sie gerne bezahlen und die sie gerne erwerben möchten. Genau da liegt für die Landwirtschaft noch ein sehr, sehr großes Potenzial. Es gilt, sie dabei zu unterstützen, aber nicht so, wie die Bundesregierung das mit ihren jeweiligen Agrarpaketen tut, die ihnen nämlich eher Knüppel zwischen die Beine wirft.

Ich will Ihnen auch sagen, die ökologische Landwirtschaft hat konkrete Vorteile, beispielsweise im Gewässerschutz, den wir heute Mittag noch bearbeiten werden.

(Glocke des Präsidenten)

Laut Thünen-Institut verringert die ökologische Bewirtschaftung im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft die Stickstoffausträge um rund 28 %.

Mehr in der zweiten Runde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,SPD und FDP)

 

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Vielen Dank. – Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben eben einmal wieder ein Beispiel dafürgehört, dass die AfD – jedenfalls nach meinem Gefühl – weder den Sinn und die Wichtigkeit Europas für uns verstanden hat

(Zurufe der Abg. Matthias Joa und Dr. Timo Böhme, AfD)

noch das Prinzip der Demokratie. Und Landwirtschaft im Übrigen auch nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ein Wort zur ökologischen Landwirtschaft. Selbstverständlich: Hätten wir früher angefangen, in dieser Hinsicht zu produzieren und unsere Böden zu behandeln, dann hätten wir jetzt zumindest nicht so gravierende Probleme mit gefährdetem Grundwasser. Sie haben völlig recht, ich halte die ökologische Landwirtschaft auch nicht für die Lösung aller Probleme. Aber zumindest was die Landwirtschaft angeht, was unsere Böden angeht, was letztendlich auch den Schutz unserer Landschaft angeht, hat die ökologische Landwirtschaft entscheidende Vorteile.

Wir in Rheinland-Pfalz fordern die ökologische Landwirtschaft, und zwar konsequent. Bei der Bundesregierung: Fehlanzeige. Zwar wurden tatsächlich dann einmal die Mittel für die Forschung im Bereich der ökologischen Landwirtschaft erhöht, aber man muss sich einmal fragen: Wo bleibt ein Sonderprogramm zum Beispiel für die Förderung dieses wichtigen Wirtschaftszweigs?

Wir brauchen meiner Ansicht nach folgende konkrete Maßnahmen: Wer 20 % ökologische Landwirtschaft erreichen will – dann gibt es noch 80 % anderes –, braucht auch mindestens 20 % der Forschungsgelder in diesem Bereich.

Was wir weiterhin brauchen, ist eine Züchtungsinitiative für neue und resistente Kulturen, die an die ökologische Landwirtschaft angepasst und ertragsstark, aber umweltfreundlich sind.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Dann muss man aber Forschung auch zulassen!)

– Wir versuchen es ja hier auf Länderebene.

Wir brauchen eine bundesweite Vermarktungsinitiative und ein Programm zum Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten, um den Absatz der Produkte aus Deutschland zu steigern. Das ist unumgänglich, um die Länder bei ihren Bemühungen zu unterstützen, und letztendlich ist genau auch das im Interesse von Bäuerinnen und Bauern.

Das haben wir gestern als Forderung auf der Demonstration gehört, und wir haben uns auch dazu geäußert.

Allerdings, war ich die letzte Rednerin, da waren alle Parlamentarier schon wieder weg. Aber ich kann Ihnen sagen, ich habe mich dementsprechend geäußert und bin noch bis 13:30 Uhr im guten Gespräch mit den Bauern gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen auch eine Anpassung der Rahmenlehrpläne in den Berufsschulen, um ökologische Landwirtschaft von Anfang an kennenzulernen und das Interesse daran zu wecken. Wir möchten vor allen Dingen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht in der Situation sind wie Sie von der AfD gerade eben, hier vorne zu stehen, von ökologischer Landwirtschaft zu reden und wirklich überhaupt gar keine Ahnung zu haben, wie das funktioniert.

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Lesen Sie einmal die Positionen der DLG dazu!)

Weiterhin braucht es noch eine deutlich bessere Ausstattung der zweiten Säule der Agrarpolitik, um in Rheinland-Pfalz die ökologische Landwirtschaft zu fördern. Die Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule hätte – so jedenfalls unsere Meinung – hier einen guten Beitrag geleistet.

Aber nichts davon hat die Bundesregierung, hat Frau Klöckner in trockene Tücher bekommen. Was sie auch bis heute nicht in trockene Tücher bekommen hat, ist der Tierschutz. Sie hat zwar immer gesagt, sie wolle ein verbindliches und transparentes Tierwohllabel schaffen, aber das hat sie bisher noch nicht getan. Noch nicht einmal das freiwillige Tierwohllabel hat sie auf den Weg bringen können, und ,ehrlich gesagt, ich habe das Gefühl, dass manche große Handelskette mit ihrer Politik schon ein Stückchen weiter ist, und das finde ich schon beschämend.

Was wir brauchen, ist ein verbindliches und transparentes Tierwohllabel, auf das sich dann auch die Verbraucherinnen und Verbraucher verlassen können und das sie nicht mit der Lupe suchen müssen, und eine klare Unterstützung bei der Umsetzung, auf die sich auch die Landwirtinnen und Landwirte verlassen können. Das kann sowohl über die GAP als auch über das Bundesprogramm GAK geschehen. Nur mit einem solchen Label können Landwirte dann auch die Preise erzielen, die ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen. Nur so erhalten wir die Betriebe, und letztendlich muss das auch im Mittelpunkt unseres Interesses stehen, anstatt diese Betriebe sozusagen am Weltmarkt weiter verhungern zu lassen.

Auch hier hat die Bundesregierung unserer Ansicht nachversagt. Die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeitnicht erkannt. Sie könnte handeln, und die Vorschläge liegen auch auf dem Tisch. Aber sie verwaltet lieber die Vergangenheit, als in die Zukunft zu investieren, und das nenne ich an dieser Stelle ein Totalversagen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das stimmt!)

 

Hier Plenarprotokoll (PDF) herunterladen



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