Kleine Anfrage von 23.08.2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Pia Schellhammer, Jutta Blatzheim-Roegler und Nils Wiechmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)  zur "Abschlussfeier mit Lied der rechtsextremen Band „Sleipnir“" und


Antwort
des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur

Die Kleine Anfrage 992 vom 1. August 2012 hat folgenden Wortlaut:
Laut Medienberichten haben Realschülerinnen und -schüler der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Kirchberg (Hunsrück) bei der Abschlussfeier im Juni 2012 in der Stadthalle das Lied „Verlorene Träume“ gewählt und in einer Chorversion zusammen mit dem Schulorchester vor Eltern und Lehrkräften aufgeführt. Dieses Lied stammt von der Rechtsrockband „Sleipnir“. Lieder von „Sleipnir“ sind in den vergangenen Jahren immer wieder in die Zusammenstellungen der sogenannten Schulhof-CDs der NPD eingeflossen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft Slepinir als rechtsextreme Band ein, weil sie dem in Deutschland verbotenen rechtsextremen Netzwerk „Blood and Honour“ nahesteht und mehrfach auf Veranstaltungen der NPD auftrat.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung diesen Vorfall? Welche Maßnahmen sind geplant, um Musik mit rechtsextremem Hintergrund bei zukünftigen Abschlussfeiern zu verhindern?
  2. Hatten die Schulleitung und das Kollegium der KGS Kirchberg Kenntnis von der Autorenschaft des Abschlusslieds? Wenn ja, ging vor der Genehmigung eine kritische Diskussion voraus?
  3. In welcher Weise findet an rheinland-pfälzischen Schulen eine Auseinandersetzung mit rechtsextremem Gedanken- und Liedgut statt? Fanden entsprechende Maßnahmen an der KGS Kirchberg statt?
  4. Welche aktuellen Kenntnisse hat die Landesregierung zu Rechtsrockmusik und -konzerten in Rheinland-Pfalz? Sind der Landesregierung Konzerte der Band „Sleipnir“ in Rheinland-Pfalz bekannt?


Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit
Schreiben vom 23. August 2012 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Das Lied, das auf der Abschlussfeier der Realschülerinnen und -schüler der Kooperativen Gesamtschule Kirchberg von Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen gesungen und gespielt wurde, hat in der Öffentlichkeit ebenso wie im Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur für Betroffenheit gesorgt. Auch wenn der Text unverfänglich wirkt und sicherlich von einem Teil der Schulabgängerinnen und -abgänger deshalb mitgesungen wurde, weil er inhaltlich die Situation der Jugendlichen angesprochen hat, darf ein Lied einer rechtsextremistischen Band in keinem Fall Bestandteil einer schulischen Veranstaltung sein.
Unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Ereignisses hat sich die Schulbehörde daher mit der Schulleitung der Kooperativen Gesamtschule Kirchberg in Verbindung gesetzt und das weitere Vorgehen besprochen.
Zukünftig werden nicht nur an dieser Schule Lehrkräfte und Schülerschaft gemeinsam im Vorfeld die Bedeutung derartiger Festlichkeiten besprechen und gegebenenfalls die Programmgestaltung gemeinsam planen. Die Schulleitungen der weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz werden durch die Schulaufsicht über diesen Vorfall unterrichtet und zu o. a. Maßnahmen angehalten.

Für alle weiterführenden Schulen wird dieser Vorfall Anlass sein, indirekte und direkte Einflussmöglichkeiten antidemokratischer Gruppierungen im Unterricht intensiver zu thematisieren. Grundsätzlich darf dieser Vorfall allerdings nicht dazu führen, Schülerinnen und Schüler generell in ihren Beteiligungsmöglichkeiten zu beschneiden.

Zu Frage 2:
Weder die Schulleitung noch das Kollegium hatten Kenntnis von der Autorenschaft des Liedes oder dem Vorhaben, dieses Lied zu spielen, zumal das Lied auch im Programm der Abschlussveranstaltung keine Erwähnung gefunden hat.

Zu Frage 3:
Eine Auseinandersetzung mit rechtsextremem Gedankengut findet an allen weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz statt. Grundsätzlich unterstützen die unterschiedlichen Lehrpläne in einzelnen Themen der Jahrgangsstufen und in den fachspezifischen Lernzielen die Extremismusprävention dadurch, dass sie die Schülerinnen und Schüler in den jeweiligen Bereichen zu verantwortlichem Handeln führen wollen. Dabei ist zu erwähnen, dass Lehrpläne verbindlich und damit auch Fragen der Extremismusprävention im Unterricht obligatorisch sind.

Die gemeinschaftskundlichen Fächer befassen sich in besonderem Maße mit entsprechenden Fragestellungen. Die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Liedgut kann in diesem Zusammenhang geschehen, ist aber nicht explizit ausgewiesen. Über Lehrpläne und Unterricht hinaus existieren vielfältige Möglichkeiten der Rechtsextremismusprävention, an denen Schulen teilhaben können, so zum Beispiel die Projekttage des Netzwerks für Demokratie und Courage oder das Projekt „Schule ohne Rassismus“. Schulen, die sich daran beteiligen wollen, erfahren Unterstützung durch das Bildungsministerium. Grundsätzlich gilt, dass alle Schulen, die Präventionsprojekte gegen Rechtsextremismus durchführen wollen, durch das Bildungsministerium finanzielle Förderung erhalten können.

Das Bildungsministerium engagiert sich auch im Bereich der Zeitzeugenarbeit. Die Einrichtung der Koordinierungsstelle „Zeugen der Zeit“ und die Kooperation mit dem Portal „Gedächtnis der Nation“ des ZDF seien hier beispielhaft genannt. Unterrichtsmaterialien wie die Quellensammlung „Zeugnisse jüdischen Lebens in Mainz/Bingen“ oder „Nationalsozialismus in der Pfalz“, die die Präventionsarbeit an Schulen fördern, wurden mit Hilfe des Bildungsministeriums erstellt und verteilt.

Weiterhin hat das Bildungsministerium die Anne-Frank-Ausstellung „Anne Frank – eine Geschichte für heute“, die 2011 im rheinland-pfälzischen Landtag und 2012 an vier Schulen gezeigt wurde, und den „Zug der Erinnerung“, der 2009 durch Rheinland-Pfalz fuhr und im Oktober 2012 wieder in sechs pfälzischen Kommunen Station machen wird, mit großem finanziellem Aufwand unterstützt. Im Rahmen ihrer mit Schwerpunkt an der Zielgruppe Jugend ausgerichteten Präventionsarbeit informiert die im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur in der Abteilung Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus regelmäßig über die Hintergründe des Rechtsextremismus.

Dabei nehmen Themenbereiche wie die rechtsextremistische Weltanschauung (rechtsextremistisches Gedankengut) und die rechtsextremistische Musik breiten Raum ein. Seit vielen Jahren werden in diesem Sinne beispielsweise Informations- und Diskussionsveranstaltungen an Schulen bzw. für Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich oder mit Kooperationspartnern wie der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführt.

Die rheinland-pfälzische Polizei führt ebenfalls Präventionsveranstaltungen durch und unterstützt zusätzlich mit anderen Kooperationspartnern auch an Schulen Projekte zur Thematik Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. „Initiativ gegen Rechts – Handlungsmöglichkeiten und Ansätze“ lautete z. B. das Motto eines Landespräventionstages, bei dem u. a. in Fachveranstaltungen, einem Schulaktionstag und einem medienpädagogischen Seminar eine kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremem Gedankengut ermöglicht wurde. „Rechtsextremismus – sieh hin“ und „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sind weitere konkrete Beispiele für Projekte im schulischen Bereich, die die Polizei im Sinne eines kooperativen und ganzheitlichen Ansatzes mit unterstützt.

Darüber hinaus werden durch die Polizei erkennbare Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie beispielsweise Konzertveranstaltungen, Aufmärsche und Verbreitung von Propagandamaterial konsequent im Vorfeld aufgeklärt und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bekämpft. Dies hat zum Ziel, den Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Bestrebungen, sich Foren zu verschaffen, so weit wie möglich einzuschränken.

Was die Schule in Kirchberg angeht, ist festzuhalten, dass dort große Anstrengungen im Bereich der Rechtsextremismusprävention unternommen wurden. Die Schule ist Comenius-Projektschule und unterhält vielfältige Kontakte zu Partnerschulen in mehreren europäischen Nachbarländern; sie erzieht ihre Schülerinnen und Schüler zu internationaler Verständigung und Toleranz gegenüber anderen. So werden z. B. jährlich alle Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen mit der Thematik „Demokratie und Faschismus“ befasst und diskutieren darüber mit Landespolitikern. Auch zukünftig will man der Präventionsarbeit einen hohen Stellenwert geben und Aufklärungsarbeit leisten. Dazu wird die Schulaufsichtsbehörde einen zusätzlichen Studientag ermöglichen, um den Vorfall noch einmal aufzugreifen und das Kollegium wie auch die Eltern für die Gefahren durch rechtsextremistisches Gedankengut zu

Zu Frage 4:
Für die rechtsextremistische Szene sind die Musik und Musikveranstaltungen von großer Bedeutung; beides fördert Motivation und Zusammenhalt. Zudem fungiert die Musik als Medium der rechtsextremistischen Weltanschauung, was sich in den einschlägigen Liedtexten widerspiegelt. In diesem Sinne verfolgt man mit Gemeinschaftserlebnissen wie Konzerten oder Liederabenden nicht zuletzt die Absicht, Jugendliche Schritt für Schritt für das rechtsextremistische Gedankengut empfänglich zu machen und sie an die Szene heranzuführen. Zu diesem Zweck wurden im Übrigen auch wiederholt Tonträger eigens für Jugendliche (z. B. „Schulhof-CD“ der NPD) produziert.

Rheinland-Pfalz nimmt mit Blick auf Zahl und Größenordnung der Konzertveranstaltungen und Liederabende mit rechtsextremistischem Hintergrund im bundesweiten Vergleich seit Jahren keine hervorgehobene Position ein. Im Jahr 2010 fanden in Rheinland-Pfalz vier Skinheadkonzerte und vier Liederabende statt (bundesweit: 128 Konzerte und 40 Liederabende). Im Jahr 2011 wurde ein Konzert durchgeführt (bundesweit: 131 Konzerte und 30 Liederabende). Im Einzelnen:

DatumOrtArt der VeranstaltungTeilnehmer (ca.)
30.01.2010Bad DürkheimSkinheadkonzert100-130
10.04.2010HeppingenSkinheadkonzert30-40
15.05.2010

Bernkastel-Kues

Stadtteil Andel

Liederabend25
26.06.2010PlattenLiederabend55-60
21.08.10PlattenLiederabend70
04.09.2010LembergLiederabend80
13.11.2010FreimersheimSkinheadkonzert100
20.11.2010Idar-ObersteinSkinheadkonzert100
18.06.2011HerschbergSkinheadkonzert40-60


Im ersten Halbjahr 2012 wurden in Rheinland-Pfalz keine rechtsextremistischen Konzerte veranstaltet. Aktuell sind in Rheinland-Pfalz zwei rechtsextremistische Musikgruppen bekannt (Bundesweit: 178, Stand 2011).

Die rechtsextremistische Band „Sleipnir“ aus Nordrhein-Westfalen besteht seit Anfang der 1990er Jahre. Sie betreibt eine eigene Internetseite sowie einen eigenen Musikverlag und veröffentlichte eine Vielzahl von Tonträgern. Die CD „Mein bester Kamerad“ wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert und unterliegt der Einziehung; das darauf enthaltene Lied „Finde deinen Weg“ wurde als strafrechtlich relevant nach § 130 StGB beurteilt. In den letzten zehn Jahren fand in Rheinland-Pfalz kein rechtsextremistisches Konzert unter Beteiligung der Band „Sleipnir“ statt.


Doris Ahnen
Staatsministerin



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