BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jutta Blatzheim-Roegler

Kleine Anfrage 17/7383

der Abgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler und Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mobilitäts- und Verkehrserziehung an Schulen in Rheinland-Pfalz
Drucksache 17/7554


Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/7383 – vom 19. September 2018 hat folgenden Wortlaut:

Die schulische Mobilitäts- und Verkehrserziehung hat laut Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung vom 15. August 2017 das Ziel, Kompetenzen für eine „reflektierte und verantwortliche Teilnahme am Straßenverkehr“ zu entwickeln. Damit trägt sie wesentlich zur Sicherheit von Schülerinnen und Schülern, auch im späteren Leben, im Straßenverkehr bei. Sie soll ferner dazu anregen, sich mit den „Anforderungen des heuti gen Verkehrs, seinen Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt sowie mit der Entwicklung einer zukunftsfähigen Mobilität“ auseinanderzusetzen. Dabei spielt das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung eine große Rolle. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Entwicklung hat die schulische Mobilitäts- und Verkehrserziehung in Rheinland-Pfalz im Laufe der Jahre genommen?
2. Welche Regelungen zur Umsetzung der Mobilitäts- und Verkehrserziehung gelten für die Primarstufe, die Sekundarstufe I und die Sekundarstufe II?
3. Wer ist für die Umsetzung verantwortlich, und welche Unterstützung erhalten die Lehrkräfte unserer Schulen u. a. durch die Polizei und die Beraterinnen und Berater für Mobilitäts- und Verkehrserziehung?
4. In welchem Umfang wird spezifisches Wissen zum Thema Radverkehr, insbesondere dessen Bedeutung für den Klima- und Umweltschutz sowie sicherheitsrelevantes Verhalten entsprechend der Straßenverkehrsordnung, vermittelt?
5. An wie vielen Grundschulen fand im letzten Jahr eine spezifische Radfahrausbildung statt?
6. In welchem Umfang war daran die Polizei beteiligt?
7. In welchem Umfang findet spezifische Radfahrausbildung an weiterführenden Schulen statt?


Das Ministerium für Bildung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1:
Mobilitäts- und Verkehrserziehung gehören zu den Pflichtaufgaben aller Schulen und sind für jede Altersgruppe von Schülerinnen und Schülern wichtig. Der Unterricht in diesem Bereich hat sich im Laufe der Jahre verändert.

Zunächst ging es primär um die klassischen Inhalte der Verkehrserziehung, und zwar um die Kenntnis der Verkehrsmittel und -regeln, um die Vermeidung von Unfällen sowie um die Erziehung zu verkehrssicherem Verhalten. Seit Mitte der 1980er Jahre beschäftigten sich die Schulen in zunehmendem Maß mit umwelt- und gesundheits pädagogischen Aspekten. Mittlerweile sind Gegenstand des Unterrichts vor allem Fragestellungen zu einer zukunftsfähigen Mobilität, die auf Umwelt und Gesundheit Rücksicht nimmt. Immer stärker ins Bewusstsein rückte die Bedeutung der Mobilitäts- und Verkehrserziehung für die Entwicklung von Sozialkompetenzen. Dazu zählen insbesondere Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft, der Umgang mit Konflikten sowie die Übernahme von Verantwortung in Familie und Gesellschaft.

Zu Frage 2:
Vorgaben zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung sind enthalten im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 i. d. F. vom 10. Mai 2012 und in der Verwaltungsvorschrift „Mobilitäts- und Verkehrserziehung in den Schulen“ vom 15. August 2017 (GAmtsbl. S. 203). Diese Verwaltungsvorschrift ist am 1. August 2017 in Kraft getreten. Sie enthält nach Schulstufen getrennte Regelungen:

Am Schulanfang stehen der sichere Schulweg sowie die Benutzung von Schulbus und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln im Vordergrund des Unterrichts. Auch das Mitfahren im Auto der Eltern wird thematisiert. Im ersten Schuljahr sind mindestens 20 Unterrichtsstunden, im zweiten Schuljahr mindestens sechs Unterrichtsstunden für das Thema zu verwenden. Insgesamt mindestens 28 Unterrichtsstunden sind im dritten und vierten Schuljahr vorzusehen. Schwerpunkt ist die Radfahrausbildung.

In der Sekundarstufe I werden die Inhalte der Primarstufe gefestigt und erweitert. Die Mobilitäts- und Verkehrserziehung wird in einzelne Fächer integriert. Das Führen eines motorisierten Fahrzeugs kann im Unterricht thematisiert werden. Einzelne Schulen führen Mofa-Kurse im Rahmen von außerunterrichtlichen Veranstaltungen durch.

In der Sekundarstufe II liegt der Schwerpunkt auf der Werteerziehung. Mobilitäts- und Verkehrserziehung sind in Grund- und Leistungskurse integriert. Viele Schulen führen Mobilitäts- und Verkehrserziehungstage durch. Dort sind Feuerwehr, Polizei, Ärzte und Ärztinnen der Unfallchirurgie und Verkehrsgerichte vertreten, die über ihre Erfahrungen aus der Praxis berichten.

Zu den Fragen 3 und 6:

Die Verantwortung für die Umsetzung der Regelungen liegt bei den Schulleitungen. Diese übertragen geeigneten Lehrkräften die Funktion von Obleuten, die am Schulstandort Ansprechpersonen in allen Fragen der Mobilitäts- und Verkehrserziehung sind.

Auf der Homepage verkehrserziehung.bildung-rp.de finden Lehrkräfte Hinweise, Vorgaben und Empfehlungen für die Schulpraxis. Unterstützt werden die Schulen außerdem durch ein Netz von derzeit 35 Beraterinnen und Beratern. Diese sind für einen lokal abgegrenzten Kreis von Schulen zuständig. Zusätzlich gibt es einen Landesfachberater für Mobilitäts- und Verkehrserziehung.

Unterstützung erhalten die Schulen derzeit auch durch 90 Verkehrssicherheitsberaterinnen und -berater (Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte) sowie zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von vier Polizeipuppenbühnen. Die Polizei übernimmt bei der Radfahrausbildung gemeinsam mit der an einer Schule verantwortlichen Lehrkraft die Durchführung von praktischen Übungseinheiten in den kommunalen Jugendverkehrsschulen oder auf dem Schulgelände.

Sowohl in der Ausbildung als auch in der Fort- und Weiterbildung wird der Mobilitäts- und Verkehrserziehung Rechnung getragen. Entsprechende Angebote gibt es in den Studienseminaren und in Verantwortung des Pädagogischen Landesinstituts. Die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte findet vor allem im Rahmen überregionaler und regionaler Arbeitstagungen statt. Pro Schuljahr gibt es ca. 40 solcher Tagungen.

Weitere Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen werden aus dem Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau gefördert. Auch die Landesverkehrswacht finanziert einzelne Arbeitstagungen und zahlt Zuschüsse zum Kauf von Materialien. Die Unfallkasse stellt Räume u. a. für Arbeitstagungen und die Ausbildung der Mofakursleiterinnen und -leiter zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützt sie die Aktion „Gelbe Füße“ und gibt die Broschüre „BusSchule“ heraus.

Wichtig ist auch das Engagement der Automobilclubs, insbesondere des ADAC, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, der Bundesanstalt für Straßenwesen, des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, der Deutschen Gesellschaft für Unfall chirurgie sowie einzelner Krankenhäuser und Verkehrsverbünde. Deren Aktionen und Programme tragen wesentlich dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler lernen, sich sicherheits- und gefahrenbewusst zu verhalten und dass auch die anderen Ziele der Mobilitäts- und Verkehrserziehung erreicht werden.

Zu den Fragen 4 und 7:


Orientierungshilfen zum Umfang der zu vermittelnden Kenntnisse im Grundschulbereich bieten das „Gemeinsame Rundschreiben zur Radfahrausbildung in der Jugendverkehrsschule und im Realverkehr“ und der „Leitfaden zur Radfahraus bildung“ (Siehe verkehrserziehung.bildung-rp.de/allgemein/downloads/grundlagen.html und verkehrserziehung.bildung-rp.de/regional/ rheinhunsrueck/radfahrausbildung.html). Danach haben folgende Themen zentrale Bedeutung: Radfahren auf verschiedenen Fahrbahnen (auf Straßen mit hoher oder geringer Verkehrsdichte, auf Radwegen, in verkehrsberuhigten Bereichen), Betriebs- und Verkehrssicherheit des Fahrrads, Tragen eines Fahrradhelms, partnerschaftliches Verhalten im Straßen verkehr, Bedeutung der Verkehrszeichen, Abschätzen von Gefahren. Zusätzlich werden praktische Übungseinheiten in den kommunalen Jugendverkehrsschulen oder auf dem Schulgelände durchgeführt. Wo es örtliche Gegebenheiten, Verkehrsdichte, Leistungsstand und individuelle Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zulassen, können gegen Ende der Ausbildung Teile des Übungsprogramms im Realverkehr durchgeführt werden.

Das Verhalten im Straßenverkehr spielt im Unterricht der Sekundarstufen I und II ebenfalls eine Rolle. Hinzu kommen die Schwerpunkte „Umwelt und Verkehr“ sowie „Gesundheit und Verkehr“. Insbesondere in der Sekundarstufe II erörtern Schülerinnen und Schüler Einstellungen und Haltungen von Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern zum Umwelt- und Gesundheitsschutz. Dabei werden sie motiviert, ihr eigenes Handeln zu reflektieren. Es geht dabei auch um die kritische Auseinandersetzung der Jugendlichen mit verkehrspolitischen Entscheidungen. Das Thema Straßenverkehr wird im Fach Ethik unter verschiede- nen Aspekten behandelt. Der Unterricht bezieht sich u.a. auf „das Leben ohne Auto“, „Mobilitätsbedürfnisse der Menschen“ und „Grenzen der Mobilität“.

Viele Schulen haben die Mobilitäts- und Verkehrserziehung in ihren Nachhaltigkeitskonzepten als festen Baustein verankert und sich z. B. entschieden, außerschulische Lernorte ausschließlich zu Fuß oder mit dem Rad aufzusuchen sowie (Rad-) Wandertage anstelle von Klassenfahrten durchzuführen. Die Ziele der Mobilitäts- und Verkehrserziehung können auch durch besondere Aktionen erreicht werden. An einzelnen Schulen gibt es „Fahrradtage“, z. B. am Herzog-Johann-Gymnasium Simmern. Die Integrierte Gesamtschule Ingelheim nahm in diesem Jahr am „Stadtradeln“ teil. Die von den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern mit dem Rad zurückgelegten Kilometer wurden in CO 2-Äquivalente umgerechnet. Daraus ergab sich die eingesparte CO 2-Menge. Einzelne Schulen haben im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften Werkstätten zur Pflege und Reparatur von Fahrrädern eingerichtet. Nach Mitteilung der Schulen war das ein wichtiger Beitrag zur Förderung des Radfahrens.

Zu Frage 5:


Nach Auskunft des Landesfachberaters für Mobilitäts- und Verkehrserziehung fand im letzten Schuljahr die Radfahrausbildung mit einer Ausnahme an allen Grundschulen statt.


In Vertretung:
Hans Beckmann
Staatssekretär

 

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