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Laut dem Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2018494 Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe in Rheinland-Pfalz erfasst. Die Dunkelziffer der Vergewaltigungen ist aber weitaus höher. Die Erfahrungen zeigen, dass sich Frauen nach einer Vergewaltigung nur selten jemandem anvertrauen oder Hilfe in Anspruch nehmen. Das Projekt der „Medizinischen Soforthilfe nach einer Vergewaltigung“ soll Frauen und Mädchen den Druck nehmen, Anzeige zu erstatten und ihnen trotzdem gute medizinische Hilfe ermöglichen. Damit Vergewaltigungsopfer, die unsicher sind, ob und wann sie eine Anzeigeerstatten, später vor Gericht gute Chancen haben, wird auch eine vertrauliche Spurensicherung angeboten. Am 17. Januar 2020 fand in Trier eine Kick-Off-Veranstaltung für eine weitere Anlaufstelle „Medizinische Soforthilfe nach einer Vergewaltigung“ statt.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wie wird das Angebot der medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung bisher in Mainz und in Worms angenommen?
2. Gibt es weitere geplante Projektstandorte in Rheinland-Pfalz?
3. Was unterscheidet das Konzept der „Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung“ von den Angeboten in anderen Ländern, Spuren nach Vergewaltigung zu sichern?
4. Wie ist der Sachstand hinsichlich der Ankündigung des Bundes, in die Finanzierung der vertraulichen Spurensicherung einzusteigen?
Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend,Integration und Verbraucherschutz:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Ich beantworte die Mündliche Anfrage Nummer 5 seitensder Landesregierung wie folgt:
Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das immer noch starktabuisiert ist und die Opfer immer noch stark stigmatisiert. Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das überhaupt nichts mit Liebe und Zärtlichkeit zu tun hat, sondern mit Macht. Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das viele Frauen nicht nur einmal überleben müssen, sondern jeden Tag aufs Neue.
Das größte Risiko, Opfer einer Vergewaltigung zu werden, stellt der eigene Partner bzw. Expartner oder das engstefamiliäre und soziale Umfeld dar.
Als ich 2016 Frauenministerin wurde, hat mir der Frauennotruf von einem beeindruckenden Projekt in Frankfurt am Main erzählt, das mich sofort begeistert hat, weil es eine Lücke schließt, und das ich unbedingt nach Rheinland-Pfalz holen wollte.
Das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ konnte dann dank der intensiven und großartigen Vorarbeit der Frauenotrufe in Mainz und Worms im Februar 2018 offiziell gestartet werden.
Frauen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, brauchen umgehend eine umfassende medizinische und psychologische Betreuung sowie auf Wunsch das Angebot einer vertraulichen Spurensicherung.
Jede Frau sollte sich nach einer Vergewaltigung durch eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen untersuchenlassen, sei es in einer Praxis oder der Notaufnahme eines Krankenhauses. Alle Ärztinnen und Ärzte sind durch ihre Schweigepflicht gebunden.
Der große Vorteil des Projekts ist, dass die beteiligten Kliniken und ihre Ärztinnen und Ärzte besondere Schulungenerhalten haben und besonders sensibel im Umgang mit den Opfern sind. Außerhalb des Projekts hängt die Versorgung der Frauen sehr davon ab, ob die behandelnden Ärztinnen oder Ärzte bereits Erfahrungen in der Versorgung von Vergewaltigungsopfern haben. Ärztinnen und Ärzte der beteiligten Kliniken haben hingegen durch den Untersuchungsbogen einen Leitfaden, um Verletzungen besonders gut und damit auch gerichtsfest dokumentieren zu können, und sind entsprechend rechtsmedizinischgeschult. Zudem besteht auch das Angebot der Spurensicherung und -lagerung.
Frauen können sich also sicher sein, dass sie an den Projektstandorten eine sehr gute medizinische Versorgung erhalten und auf Wunsch eine Spurensicherung stattfindet, die gerichtsfest ist.
Die Gynäkologinnen und Gynäkologen der Universitätsklinik Mainz und des Klinikums Worms haben sich umfassend zu den rechtsmedizinischen Aspekten schulenlassen. Sie führen seither nach einem erprobten standardisierten Verfahren die medizinische Versorgung und – auf Wunsch der betroffenen Frauen – auch die vertrauliche Spurensicherung durch. Alle beteiligten Kliniken benutzen die gleichen Untersuchungskids und die gleichen standardisierten Dokumentationsbögen.
Dieser Aspekt des Projekts ist sehr wichtig. Bisher könnensich Frauen zwar nach einer Vergewaltigung auch bei ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt oder einer Klinik untersuchen und versorgen und auch Spuren sichern lassen.
Das passiert dann aber nicht anonym, obwohl natürlich die ärztliche Schweigepflicht gilt. Auch die Spurensicherung geschieht sehr unterschiedlich, sodass Spuren möglicherweise vielleicht später als nicht gerichtsfest gelten.
Die Rechtsmedizin bietet bereits seit einiger Zeit in ihrer forensischen Ambulanz eine Spurensicherung an und ist die unumstrittene Expertin, wenn es um die gerichtsfeste Sicherung von Spuren bei Gewaltverbrechen geht. Daher bin ich sehr froh, dass die Rechtsmedizin der Universitätsklinik Mainz nicht nur die Spuren für beide Standorte des Projekts asserviert, sondern auch die beteiligten Ärztinnen und Ärzte schult. Mit diesem umfassenden Konzept ist einhoher Aufwand für alle Beteiligten verbunden. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, allen Projektbeteiligten herzlich zu danken.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)
Zuallererst natürlich den Frauennotrufen, die den Impulsgegeben haben und die Projektträgerinnen sind. Dann aber auch den Kliniken, die bereit sind, ihre Ärztinnen und Ärzte schulen zu lassen und Frauen einen Anlaufpunkt bieten, wenn sie in Not sind. Nicht zuletzt auch der Rechtsmedizin, ohne deren Expertise das Projekt gar nicht möglich gewesen wäre.
Ich freue mich, feststellen zu können, dass sich die Mühe aller Beteiligten gelohnt hat. Schon im ersten Jahr 2018 haben rund 20 Frauen von der medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung profitiert und eine vertrauliche medizinische Versorgung erhalten. Die Hälfte von ihnen hat auch das Angebot der vertraulichen Spurensicherung genutzt.
Im zweiten Projektjahr war bereits ein deutlicher Anstieg festzustellen. Im Jahr 2019 ließen sich 30 Frauen im Rahmen des Projekts medizinisch versorgen. Am Standort Worms haben acht Frauen und am Standort Mainz 22 Frauen das Angebot in Anspruch genommen. In Mainz ließen sich zehn Frauen ausschließlich medizinisch versorgen, und 12 Frauen, also über die Hälfte, nutzten auch die vertrauliche Spurensicherung.
Allein an diesen beiden Standorten wurden also seit Projektbeginn insgesamt 50 Frauen nach Vergewaltigung vertraulich medizinisch und auf Wunsch auch rechtsmedizinisch versorgt und betreut.
Entscheidend ist, dass die gewaltbetroffene Frau zu keinem Zeitpunkt zur Spurensicherung oder gar zu einer Anzeige gedrängt wird. Die medizinische Soforthilfe steht beidem Projekt klar im Vordergrund.
Darüber hinaus haben die Frauennotrufe Anrufe von mehreren Frauen erhalten, deren Vergewaltigung schon länger zurückliegt. Durch die gute Öffentlichkeitsarbeit der Frauennotrufe sind diese Frauen auch später noch ermutigt worden, Gesundheitsfragen wie beispielsweise sexuell übertragbare Krankheiten abzuklären und sich bei der Traumabewältigung unterstützen zu lassen.
Auch das ist ein sehr wichtiger Punkt: Die geleistete Öffentlichkeitsarbeit hat hier Wirkung gezeigt. Es geht um die Grundaussage des Projekts: kein Grund, sich zu schämen, sondern sich helfen zu lassen. – Diese Hilfe soll in Rheinland-Pfalz jede Frau bekommen, egal ob sie den Täter anzeigen möchte oder nicht.
Zu Frage 2:
Die Erfahrungen zeigen, dass sich Frauen und Mädchen, die sexuelle Übergriffe erlebt haben, nur selten jemandem anvertrauen oder Hilfe in Anspruch nehmen.
Das Erleben sexueller Gewalt ist in der Regel stark mit Scham besetzt, was es Betroffenen sehr schwer macht, sich mitzuteilen. Viele haben zudem Angst, dass die sexuellen Übergriffe ohne ihr Einverständnis polizeiliche Ermittlungen nach sich ziehen, wenn die Tat bekannt wird.
Das Angebot der medizinischen Versorgung und anonymen Spurensicherung nimmt dem Opfer den Entscheidungsdruck unmittelbar nach dem traumatischen Erlebnis. Die Betroffene gewinnt die notwendige Zeit, sich zuentscheiden, ohne dass die Spuren durch körperliche Heilungs- oder Abbauprozesse verloren gehen.
Es ist daher mein erklärtes Ziel, ein möglichst flächendeckendes Angebot in Rheinland-Pfalz sicherzustellen. Deshalb hatten wir von Anfang die schrittweise Ausweitung des Projekts auf weitere Standorte geplant. Ich freue mich deshalb, dass kürzlich, genauer gesagt am 17. Januar, der Frauennotruf Trier zusammen mit dem Klinikum der Borromäerinnen in Trier in unser Projekt eingestiegen ist.
Im April steht nun der Projektstart des Frauennotrufs Koblenz in Zusammenarbeit mit der Klinik Kemperhof an.
Ich bin mir sicher, dass weitere Standorte folgen werden; denn nur durch eine flächendeckende Ausweitung können wir allen betroffenen Frauen die Unterstützung bieten, die sie in dieser Situation benötigen und sie ohne Angst und Scham annehmen können.
Zu Frage 3:
Viele Bundesländer haben sich der Thematik ebenfalls angenommen. Das zeigt einmal mehr, dass hier eine grundsätzliche Versorgungslücke für vergewaltigte Frauen und Mädchen besteht, die es zu schließen gilt. Auch die Istanbul-Konvention mahnt genau dies an.
Es gibt in anderen Bundesländern auch Konzepte, die ausschließlich auf die vertrauliche Spurensicherung fokussiert sind. Aus der langjährigen Erfahrung der Frauennotrufe wissen wir jedoch, dass es betroffenen Frauen unmittelbar nach dem traumatischen Ereignis häufig in erster Linie darum geht, medizinisch umfassend versorgt zu werden und so bald wie nur möglich erst einmal zur Ruhe zu kommen.
Deshalb haben wir uns in Rheinland-Pfalz auch mit dem landesweiten Runden Tisch für Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RIGG) für ein Konzept entschieden, bei dem eben die qualifizierte und umfassende medizinische Versorgung im Vordergrund steht. Dieses Konzept wurde vom Frauennotruf Frankfurt entwickelt und wird beispielsweise auch in Hessen und Baden-Württemberg angewendet und auch dort schrittweise ausgebaut.
Zu Frage 4:
Im Rahmen der Verabschiedung des sogenannten Masernschutzgesetzes hat der Bundestag auch die Regelungen zur vertraulichen Spurensicherung in das Gesetz aufgenommen und die Möglichkeiten zur Kostenerstattung erweitert. So bekommen Versicherte, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, einen Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen für eine vertraulichemedizinische Spurensicherung am Körper. Die Spurensicherung kann dokumentiert werden, um in etwaigen späteren Gerichtsverfahren zur Verfügung zu stehen.
Das Abrechnungsverfahren soll so gestaltet werden, dass die Anonymität der Frauen gewährleistet ist. Daher darf in den Abrechnungsunterlagen kein konkreter Bezug zu der versicherten Person hergestellt werden.
Grundsätzlich begrüße ich es sehr, dass der Bund bei diesem wichtigen Thema endlich aktiv wird. Meines Erachtens hätte er schon viel früher in die Thematik einsteigen können.Wie die Ausgestaltung in den Ländern genau sein wird, ist noch zu klären. Hierzu sind wir auf Fachebene sowohl mit dem Gesundheitsministerium als auch mit den anderen Ländern im Gespräch.
Herzlichen Dank.
In der Zeit vom 23.12.24 bis 08.01.25 ist das Wahlkreisbüro geschlossen!
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