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Die Kleine Anfrage – Drucksache 17/11832 – vom 12. Mai 2020 hat folgenden Wortlaut:
Die anhaltende Trockenphase im Frühjahr 2020 bringt, neben der Corona-Krise, die Land wirtschaft in Rheinland-Pfalz in Bedräng-nis. Die Ernte- und Ertragsverluste durch Hitze und Dürre aufgrund der Klimaerhitzung waren in den letzten Jahren erheblich. Die Klimawissen schaften warnen vor einer Zunahme von Extremwetterereignissen wie Dürren und empfehlen die Unterstützung von klimaangepassten Bewirtschaftungssystemen.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Welche Tendenzen der Niederschläge, Temperaturen und Sonnentage sind in den Frühjahrsmonaten der letzten Jahre im Vergleich zum langjährigen Mittel feststellbar?
2. Welche Ernte- und Ertragsverluste sind nach Kenntnisstand der Landesregierung durch die Dürre- und Hitzephase der vergangenen Jahre im landwirtschaftlichen Bereich entstanden?
3. Welche Auswirkungen hat nach Einschätzung der Landesregierung die anhaltende Trockenphase auf das Auflaufen der unterschiedlichen Kulturen in Rheinland-Pfalz?
4. Welche Folgen kann die anhaltende Trockenphase für die Empfindlichkeit der Kulturen gegenüber Schadorganismen bzw. die Reproduktionsbedingungen von Schadorganismen haben?
5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die landwirtschaftliche Produktionsweise an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anzupassen (nach Erkenntnissen des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen) bzw. die Betriebe dabei zu unterstützen?
6. Welche Möglichkeiten stehen nach Kenntnisstand der Landesregierung, dem ökologischen Landbau zur Anpassung an zunehmende Extremwetterereignisse im Rahmen der Klimaerhitzung zur Verfügung?
Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Juni 2020 wie folgt beantwortet:
Zu Frage 1:
Die langjährigen Niederschlagssummen im meteorologischen Frühjahr (Monate März bis Mai) zeigen keinen statistisch signifikanten Trend seit Beginn der systematischen Betrachtungen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Aufzeichnungen sind zudem durch eine hohe Jahr-zu-Jahr-Variabilität gekennzeichnet. Dabei sind in den letzten Jahren keine starken Abweichungen der Niederschlagssummen im meteorologischen Frühjahr vom 30-jährigen Mittel aufgetreten.
Die Mitteltemperatur im meteorologischen Frühjahr ist seit Beginn der systematischen Messungen Ende des 19. Jahrhunderts um 1,7° C angestiegen (von 7,7° C im Zeitraum 1881 bis 1910 auf 9,4° C im Zeitraum 1990 bis 2019). Speziell in den letzten drei Jahrzehnten ist dieser Anstieg besonders stark ausgefallen. Dies zeigt sich auch in der deutlichen Häufung der wärmsten je aufgetretenen Frühjahre in diesem Zeitraum. So zählen auch die beiden Frühjahre 2017 und 2018 zu den sechs wärmsten Frühjahren seit 1881.
Bei der Sonnenscheindauer, die seit 1951 systematisch erfasst wird, zeigt sich für das meteorologische Frühjahr keine eindeutige Entwicklung. Zu beobachten war zunächst ein Rückgang der Sonnenscheindauer, ehe sie im späteren Verlauf der Zeitreihe wieder an, jeweils überlagert durch die Jahr-zu-Jahr-Variabilität. Die beobachtete Entwicklung ist dabei vor allem in Zusammenhang mit der Thematik Luftverschmutzung und anschließenden Erfolgen von Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu sehen. Eine Häufung besonders sonnenscheinreicher Frühjahre in den vergangenen Jahren ist nicht zu erkennen.
Die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Informationen basieren auf Datenquellen des Deutschen Wetterdienstes. Auswertungen bzw. Grafiken für Rheinland-Pfalz sind auf den Internetseiten des Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen (www.kwis-rlp.de) abrufbar.
Zu Frage 2:
Im Zusammenhang mit Ernte- und Ertragsverlusten sind neben Dürre- und Hitzephasen auch weitere Faktoren wie z. B. Frost, Starkniederschläge und Schädlingsbefall zu berücksichtigen, sodass diesbezüglich isolierte Betrachtungen nicht möglich sind.
Am Beispiel des vergangenen Jahres ist festzustellen, dass aufgrund der überdurchschnittlichen Temperaturen im Jahr 2018 das Pflanzenwachstum 2019 im Vergleich zum Vorjahr bereits im März startete. Auch die Folgemonate wiesen überdurchschnittliche Temperaturen auf. Rheinland-Pfalz war ab Juni ein vergleichsweise niederschlagsarmes Bundesland. Die ungleiche Verteilung der teils unwetterartigen Niederschläge, kombiniert mit den Rekordtemperaturen, dürfte die wichtigste Ursache für die recht heterogenen Getreideerträge in Rheinland-Pfalz sein. Mit gut 1,5 Mio. Tonnen wurde dennoch insgesamt eine leicht überdurchschnittliche Getreideernte auf Vorjahresniveau erzielt. Die Getreideerntemenge liegt damit auf dem Niveau des Durchschnitts der Jahre 2013 bis 2018. Entsprechend haben sich die Befürchtungen, dass es 2019 aufgrund der Trockenheit nur eine kleine Erntemenge für Getreide geben wird, nicht bestätigt, auch wenn es deutliche regionale Unterschiede gab. Speziell frühreife Getreidearten warenvon der Trockenheit weniger betroffen.
Zu Frage 3:
Zum Auflaufen müssen die Samen der Kulturpflanzen zunächst eine gewisse Menge an Wasser aufnehmen (quellen), um anschlie-ßend mit der Keimung beginnen zu können. Neben Wasser müssen allerdings noch weitere Voraussetzungen wie z. B. Wärme, Licht (oder Dunkelheit) und Sauerstoff erfüllt sein.
Anhaltende Trockenphasen können das Auflaufen der Saat stark behindern. Die Folgen sind häufig sehr ungleichmäßige und lückige Bestände, wie es vielerorts in Rheinland-Pfalz während der Trockenphase im April dieses Jahres festzustellen war. Hier-von betroffen waren insbesondere die Sommerungen (z. B. Sommergerste, Hafer, Zuckerrüben, Mais) sowie Begrünungen und Zwischenfrüchte. Bleibt nach dem Auflaufen die Feuchtigkeit aus, kann es zu Totalausfällen kommen.
Zu Frage 4:
Die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen können je nach landwirtschaftlicher Kultur und Fruchtfolge unterschiedlich sein, weshalb sich daraus keine pauschalen Rückschlüsse auf die Empfindlichkeit der Kulturen gegenüber Schadorganismen oder auf die Reproduktionsbedingungen von Schadorganismen ziehen lassen. Hinzu kommen große regionale Unterschiede. Der Wasserhaushalt wird sich durch das zunehmende Verdunstungspotenzial deutlich verändern. Durch die veränderten Temperatursummen werden sich Klimazonen und agrarökologische Potenziale, Nischen für Schädlinge, Krankheiten und unerwünschte Beikräuter räumlich verschieben. Es ist mit einer Zunahme von Krankheiten mit hohen Ansprüchen an Temperatur und Niederschlagsereignisse wie Rostkrankheiten, Netzflecken oder Cercospora beticola sowie mit einem Anstieg von Pathogenen mit hohen Ansprüchen an Temperatur und relative Luftfeuchte wie Echter Mehltau, Halmbruch und Septoria tritici zu rechnen. Feuchtwarme Witterungsbedingungen fördern eine Reihe von Schaderregern wie Milben, Schnecken, Pilze und Bakterien. Wärme liebende Insekten, wie Kartoffelkäfer (Blattfraß, Saugschäden usw.) sowie Blattläuse und Zikaden (Virosen, Qualitätsverluste usw.) könnten verstärkt auftreten. Die Überwinterungsrate von Schädlingen wird steigen, sodass der Befallsdruck im Frühjahr früher und höher ausfallen könnte. Zudem könnten sich bisher nicht heimische Schaderreger durch die ansteigenden Temperaturen ausbreiten.
Es ist daher zunehmend mit direkten Schäden durch längere Trockenperioden und Förderung des Auftretens bestimmter Schaderreger (z. B. Spinnmilben, Borkenkäfer usw.) zu rechnen. Zudem wird die Ausbreitung neuer, Wärme liebender Beikrautarten ebenfalls zunehmen.
Zu Frage 5:
Grundsätzlich hat in diesem Zusammenhang das betriebliche Risikomanagement mit dem Ziel der Schadensverhütung Vorrang, um die Lieferfähigkeit und Marktpräsenz betroffener Betriebe auch nach Schadereignissen zu erhalten.
Um sowohl die Prävention durch produktionstechnische Maßnahmen auf der Fläche zu unterstützen als auch Folgen widriger Wetterereignisse durch Schadensregulierung zu minimieren, führt die Landesregierung folgende Maßnahmen durch:
– Bereitstellung von Förderprogrammen (Agrarinvestitionsförderprogramm, Mehrgefahrenversicherung)
– Erarbeitung von Informations- und Warndiensten (Agrarmeteorologische Daten, „Wetter-SMS“ bzw. App)
– Ausweisung von Risikoflächen für die betriebliche Anbauplanung sowie zur Berücksichtigung bei Bodenordnungsverfahren über das staatliche Beratungs- und Versuchswesen.
– Dialog und ggf. Konfliktmoderation zwischen Landwirtschafts- und Umweltsektor, etwa bei der Errichtung von Kulturschutzeinrichtungen in Schutzgebieten, zur Bereitstellung von Wasser und der Pflege von Entwässerungsgräben oder bei der Aufstellung von Windradanlagen (Schutz vor Spätfrösten im Weinbau).
Darüber hinaus hat sich die Landesregierung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Anpassung an die zunehmende Trockenheit engagiert. So hat sich die Landesregierung dafür eingesetzt, dass Beregnungsanlagen weiterhin über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) gefördert werden. In Rheinland-Pfalz sind demnach im Förderbereich 2 der GAK „Förderung landwirtschaftlicher Unternehmen“ Investitionen in Beregnungs- bzw. Bewässerungsanlagen sowie in Frostschutzberegnungsanlagen auf einzelbetrieblicher Ebene grundsätzlich förderfähig.
Auch die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum nehmen das Thema der klimaresilienten Anpassung und dabei insbesondere die ressourcenschonende Bewässerung verstärkt in die Beratung mit auf. Darüber hinaus ermöglicht das Digitale Agrarportal RLP (https://www.dap.rlp.de) einen verbesserten Zugriff auf standortspezifische Daten zu der Wasserspeicherfähigkeit von Böden, lokalem Niederschlag und Beregnungsbedarf.
Weiterhin werden Betriebe anhand von klimasensitiven Informations- und Beratungssystemen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt. Hierzu zählen das Agrarportal „GeoBox“ sowie das vom Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen zur Verfügung gestellte Klimawandelinformationssystem Rheinland-Pfalz.
Mit dem (mobilen) Agrarportal „GeoBox“ (https://geoservice.rlp.de/GBV-RLP-Pflanzenbau/) wird derzeit eine grundlegende Struktur für die Bereitstellung von GIS-orientierten Daten für die Landwirtschaft geschaffen. Für verschiedene Themenbereiche stehen bereits umfangreiche Informationen inklusive Wetterdaten zur Verfügung. Die webbasierte Beratungsplattform wird in Zukunft sukzessive ausgebaut und könnte auch mit zeitkritischen Informationen wie Entwicklung von Krankheiten und Schädlingen oder Hinweisen zu kulturspezifischen Maßnahmen wie Bewässerung, Frostschutz oder Temperatursteuerung erweitert werden.
Das Klimawandelinformationssystem Rheinland-Pfalz (http://kwis-rlp.de) stellt umfangreiche Daten über die aktuelle und zukünftige klimatische Entwicklung in Rheinland-Pfalz zur Verfügung. Beispielsweise werden Informationen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf ausgewählte Kulturen sowie zu Bodenerosion, Bodenwasserhaushalt und Bodenkohlenstoff einschließlich Handlungsoptionen bereitgestellt.
Zu Frage 6:
Der ökologische Landbau weist, etwa durch die humusanreichernde Bewirtschaftung der Böden oder die vielfältigen Fruchtfolgen mit einer großen Bandbreite an angebauten Kulturen spezifische Vorteile für veränderte Klimabedingungen auf. Zur weiteren Anpassung an den Klimawandel und die damit verbundenen Extremwetterereignisse steht ökologisch wirtschaftenden Betrieben eine Reihe an Maßnahmen zur Verfügung, wobei deren Auswahl standort- und betriebsbezogen erfolgen muss und in der Regel eine Kombination mehrerer aufeinander abgestimmter Anpassungsmaßnahmen erforderlich sein wird.
Im Bereich der Arten- und Sortenwahl kommt der Wahl wassernutzungseffizienter, tiefwurzelnder Arten sowie trockenheitsverträglicher Sorten eine große Rolle zu. Da im Zuge des Klimawandels mit einem steigenden Befallsdruck durch Schädlinge und Schadpilze sowie mit einem Anstieg des Konkurrenzdrucks durch trockenheitstolerante Problemunkrautarten zu rechnen ist, wird auch die Auswahl konkurrenzstarker und resistenter Sorten an Bedeutung gewinnen. Im Bereich der Fruchtfolge bietet auch eine weitere Diversifizierung eine Option zur Streuung des Anbaurisikos. Dabei kann die Nutzung von Mischkulturen, d. h. des gleichzeitigen Anbaus mehrerer verschiedener Kulturarten auf einer Fläche, eine Maßnahme zur Risikominimierung bieten.
Weiterhin ist eine Anpassung der Saatzeiten möglich. So könnte ein Vorziehen der Aussaat bei Sommerungen auf Böden, die eine entsprechende Bearbeitung zulassen, dabei helfen, Frühjahrs- und Sommertrockenheiten zu umgehen und eine Verschiebung der Herbstaussaat nach hinten den Schädlings-, Krankheits- und Unkrautdruck minimieren.
Noch wichtiger wird zudem eine möglichst ganzjährige Bodenbedeckung. In manchen Regionen kann zur Reduzierung der Ero-sionsgefahr oder zum Ausgleich temperaturbedingt veränderter Mineralisierungsraten im Boden ein verstärkter Anbau von Zwischenfrüchten, insbesondere von Winterzwischenfrüchten und -begrünungen, unterstützend wirken. Ebenso können die Nutzung von Agroforstsystemen oder das Anlegen von Grünstreifen quer zum Gefälle Möglichkeiten zum Schutz vor Erosionen im hügeligen Gelände bieten.
Da Bodenbearbeitungsmaßnahmen die Verdunstung sowie das Wasseraufnahmevermögen des Bodens und damit die Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen beeinflussen, spielen auch Anpassungen in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Pfluglose Bodenbearbeitungsmethoden reduzieren die Verdunstung und steigern die Wasserinfiltration. Daher ist auch die verstärkte Nutzung entsprechender Bodenbearbeitungsverfahren und deren Eingliederung in das Anbaukonzept im ökologischen Landbau eine weitere Möglichkeit zur Klimawandelanpassung. Ebenso steht auch ökologisch wirtschaftenden Betrieben eine Beregnung als Anpassungsmaßnahme zur Verfügung.
Extremwetterereignisse machen auch in der ökologischen Tierhaltung, bedingt durch den vermehrt zu erwartenden Hitzestress sowie den veränderten Krankheitsdruck, Anpassungen erforderlich. Im ökologischen Landbau spielt die standortangepasste Rassenwahl eine große Rolle, sodass verstärkt auf Wärmetoleranz und Krankheitsresistenz geachtet werden muss. Anpassungen sind auch bei der Weidehaltung möglich, etwa durch die Schaffung eines zusätzlichen Angebots an Schatten für die Tiere. Um ausreichend Grobfutter für die im ökologischen Landbau höheren Grobfutteranteile in der Futterration zu haben, sollte zudem verstärkt die Nutzung trockenheitstoleranter Gräser und Kleearten im Grünland geprüft werden.
Dr. Volker Wissing
Staatsminister
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