Plenarrede

Soziale Marktwirtschaft statt Sozialismus – Drucksache 17/9156 –


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft aus den Zeiten Ludwig Erhards hieß: Wohlstandfür alle bzw. auf Basis von Wettbewerb die freie Initiative mit einem durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden, und lange hat es auch gut funktioniert.

Wir leben in einem freien Land, und wir Grüne wollen, dass die Menschen sich entlang ihrer eigenen Vorstellungen und Lebensziele in Freiheit und Würde entfalten können.

(Abg. Helga Lerch, FDP: Das könnte von der FDP kommen! – Beifall bei SPD und FDP)

Dafür braucht es ein sozialmarktwirtschaftliches System, das den Unternehmensgeist fördert, das Gründerinnen unterstützt, die Rechte von Beschäftigten schützt und nachhaltigen Wohlstand schafft.

Alle, die gestern Abend beim Parlamentarischen Abend des Entwicklungspolitischen Landesnetzwerks Rheinland-Pfalz (ELAN) waren, haben, glaube ich, eine gute Nachhilfe bekommen, wenn sie zugehört haben.

Es braucht ein sozialmarktwirtschaftliches System, das auf globale Gerechtigkeit zielt und mit starken sozialen Instituten Gerechtigkeit und Sicherheit präsentiert. Eine starke und zukunftsfähige Wirtschaft, starke staatliche Institutionen und ökologische Leitplanken sowie ein starkes soziales Netz sind deshalb für uns die Grundbedingungen für eine erneuerte sozialökologische Marktwirtschaft.

Im 21. Jahrhundert brauchen wir nämlich die Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft unter Berücksichtigung von ökologischen Notwendigkeiten wie Ressourcenschonung, Energieeffizienz oder Klimaschutz. Alle diese Elemente müssen neu dazukommen. Diese sozialökologische Marktwirtschaft berücksichtigt dann auch die Veränderungen in der Arbeitswelt, schafft gleiche Chancen für alle und die Gleichberechtigung der Geschlechter.

(Abg. Matthias Joa, AfD: Sie haben keine Vorstellungen, was auf uns zukommt! Wir werden abgehängt von der Welt durch solche Fantasten wie Sie!)

Jetzt kann ich es mir nicht verkneifen, darauf einzugehen, was Herr Junge gesagt hat. Ich habe es mir mitgeschrieben: Geschlecht geht vor Eignung und Leistung. Herr Junge, wenn ich mir die vielen männlichen Versager an den Schaltstellen von Wirtschaft, von Politik, von Kirche und Gesellschaft anschaue, muss ich Ihnen recht geben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin mir sicher, wir brauchen eine Neuformulierung des politischen Leitbildes, nach dem sozialökologischer Fortschritt, freie Initiative und wettbewerbliche Leistungsfähigkeit zusammenpassen und eben keinen Widerspruch mit der Ökologie bilden. Sie bedingen sich gegenseitig.

Dass gerade im Hinblick auf mangelnden bezahlbaren Wohnraum in Städten und steigende Mieten ganz offensichtlich der soziale Ausgleich nicht mehr stimmt, dürfte eigentlich jedem klar sein, der tagtäglich die Zeitung liest oder einfach einmal rausgeht und mit den Menschen spricht. Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Süddeutschen Zeitung vom 8. Mai 2019 zitieren. Nun ist die Süddeutsche Zeitung nicht das Parteiorgan der Grünen, würde ich einmal sagen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Fast!)

Sie schreibt: „Inzwischen entgeht doch niemandem mehr, dass die existierende Marktwirtschaft alles andere als sozial ist: Unternehmen lösen sich von Tarifen, prekäre Arbeitsverhältnisse sind Alltag, Wohnraum ist knapp oder unbezahlbar

(Abg. Matthias Joa, AfD: Warum ist der Wohnraum denn knapp?)

mit der Folge von sich potenzierender Obdachlosigkeit beziehungsweise Armut. Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung nehmen überhand (...).“

Oder ich verweise auf Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der sagt: „Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte.“

Selbst das Handelsblatt postuliert, dass das kapitalistische System „mit Nachdruck reformiert werden“ muss.

So gesehen geht es eben nicht um die Frage zwischen Sozialer Marktwirtschaft und Sozialismus, sondern es geht auch um die Frage, wie wir unser Wirtschaftssystem so entwickeln, dass es eine gute Zukunft für uns, für unsere Kinder und letztendlich auch für unseren Planeten gibt.

Das können verschiedene Modelle sein. Da könnte man durchaus – das ist von der SPD schon oft diskutiert worden – auch noch einmal die Genossenschaftsmodelle oder Sharing-Modelle hochholen. Das kann auch die Frage sein, wie viele Stunden in der Woche wir arbeiten. Müssen es fünf Tage mit acht Stunden sein? Welche Modelle gibt es in einer zunehmend digitalisierten Welt für Menschen, die da vielleicht nicht mitkommen?

(Glocke der Präsidentin)

Wie wird Arbeit mit zunehmender KI-Unterstützung sein? Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)


Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Kollege von der CDU, werter Herr Martin, es wundert mich, dass Sie offensichtlich über die Inhalte meines Redebeitrags, den ich für BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN gegeben habe, so erstaunt waren. Aber das zeigt mir, dass auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU vielleicht nicht immer nur auf Allgemeinplätze, die über die Grünen erzählt werden, reinfallen, sondern tatsächlich einmal zuhören sollten. Da freue ich mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht noch zwei Sätze zum Grundgesetz, das bereits erwähnt wurde. Ich möchte Artikel 14 zitieren, in dem es heißt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Des Weiteren heißtes in Absatz 3: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ In Artikel 15 steht: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Es ist wohl klar geworden, dass ich überhaupt nicht Herrn Kühnert das Wort rede, aber es ist eine Tatsache, dass es diese Möglichkeiten im Grundgesetz gibt.

Eine Zahl sollte Sie in diesem Zusammenhang vielleicht noch interessieren: Zurzeit laufen 200 Verfahren zur Enteignung für den Bau von Bundesstraßen.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Na so was!)

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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